Freitag, 16. Mai 2008

Diktatur der Unschuldigen

Von Elke Schmitter

Aus: Spiegel - Online



Wie stellen die Deutschen sich eine gute Kindheit vor? Immer mehr Eltern verzweifeln an ihren kleinen Tyrannen. Der Bestseller eines Psychologen befeuert die Debatte um die richtige Erziehung.
Ein Gespenst geht um in Deutschland. Es ist klein und aus Fleisch und Blut, doch wenn es nachts in der Zimmertür steht, sind die Eltern hilflos gegen Geschrei und Nörgelei, die alles Hätscheln und Kosen, alle Nachgiebigkeit und Liebe nicht verhindern können.


Gehätschelte Kinder in der Freizeit: Nie gab es so wenige, und nie war die Sorge um sie so groß
In der Schule wird es nicht zuhören und nicht still sitzen können, sondern die Lehrerin quälen, und nach vielen erfolglosen Versuchen, es zu einem glücklichen Kind zu machen, wird man ihm etwas namens Ritalin geben müssen, das wie ein Wunder dafür sorgt, dass es sich konzentrieren kann. Und vielleicht wird ja der Psychologe, zu dem es einmal die Woche geht, die restlichen Verhaltensstörungen auch noch in den Griff kriegen.


Das Gespenst trägt den Namen "Kleiner Tyrann". Es ist derart gefürchtet, dass ein Buch mit dem Titel "Warum unsere Kinder Tyrannen werden" des Autors Michael Winterhoff ein Bestseller geworden ist, von der "Bild"-Zeitung in Auszügen nachgedruckt. Das ist um so erstaunlicher, als das Buch ein wenig unbeholfen geschrieben ist und zugleich anspruchsvoll argumentiert; es ist ohne psychologische Vorbildung kaum verständlich und alles andere als ein Erziehungsratgeber.
Es trifft allerdings auf einen bloßliegenden Nerv, der pocht und klopft und schmerzt - und zwar nicht nur bei jenen, die Kinder haben oder mit ihnen umgehen. Die Frage, wie Kinder zu erziehen sind und wie es gelingt, sie zu guten Erwachsenen zu machen, treibt die ganze Gesellschaft um.
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Quelle: Spiegel Online
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