Samstag, 28. November 2009

Das Märchen vom Hans im Glück - oder von einer unglücklichen Entwicklung


Mit jedem Tausch verliert der Hans etwas von dem Goldwert, den er einst besaß.

In Einrichtungen des freien Geisteslebens ist dieses Gold die Anthroposophie. Mit den Jahren wird nun häufig den Mitarbeitern dieses Geistesgold zu schwer. Sie suchen nach etwas Leichterem. Nach etwas, das sie nicht selbst tragen müssen, wie den Gold-Klumpen, oder sogar: immer wieder neu selbst erarbeiten müssen, damit es seinen Geistesglanz entfalten kann. Nein, sie suchen nach etwas, was sie selbst trägt, so wie der Hans nun mit Freude das Pferd besteigt. Und so geht es dann immer weiter. Errungenschaften werden eingetauscht gegen etwas, was vordergründig wie ein Gewinn erscheint.

In einer Waldorfschule könnte das Märchen beispielsweise folgende Gestalt annehmen:

1. Vom Gold zum Pferd
Zuerst erscheint die kollegiale Arbeit an der Menschenkunde als zu schwierig. Man schlägt Gruppenarbeit vor. Alle sollen mitreden dürfen, ob es qualifiziert ist oder nicht, spielt keine Rolle. Man freut sich über diese Neuerung.

2. Vom Pferd zur Kuh
Es wird mit der Menschenkunde zu schwierig, man nimmt eine "leichtere" Sekundärliteratur. Man ist erleichtert, dass man nun alles viel besser verstehen kann. Man fühlt sich viel praxisnäher und so richtig in der wirklichen Welt. Die Kuh gibt ja auch echte Milch. Man sieht, dass man wirklich etwas davon hat, was man scheinbar im Unterricht anwenden kann: Wir wollen immer auch an die konkrete Praxis denken!

3. Von der Kuh zum Schwein
Man findet, dass es für die Schulführungskonferenz nicht mehr leistbar ist, sich um Personalangelegenheiten zu kümmern. Man lagert das aus in einen Personalkreis.

4. Vom Schwein zur Gans
Das Mitarbeiten in der Schulführungskonferenz wird für viele zu einer unzumutbaren Belastung. Man stellt die Teilnahme frei.

5. Von der Gans zum Stein - Hierbei wird Hans auch noch betrogen. Statt eines Wetzsteines erhält er einen unbrauchbaren Feldstein.
Man findet nun, dass man auch für die Schulführung nicht die ausreichenden Kompetenzen besitzt. Man holt einen Berater, der beginnt die Schulgeschicke zu steuern. - In Analogie zu Wetzstein und Feldstein gilt hierbei: Man glaubt, man würde eine weiterführende geistige Qualität bekommen, erhält in Wirklichkeit aber nur den Schein davon. Man bezahlt dafür auch noch ungeheure Summen Geldes. Dennoch ist man glücklich und springt fröhlich weiter, in dem Glauben man sei wieder einer Last ledig.

6. Der Mühlstein wird weggeworfen. Hans ist überglücklich. Alle Last ist von seinen Schultern genommen. Fröhlich kehrt er nach Hause zur Mutter zurück. Alles, was er im Leben errungen hat, hat er aufgegeben.
Wie das wohl in einer solchen "märchenhaften" Schule ausgehen könnte? Vielleicht wird alles am Ende der Hand gegeben sein. Die Einrichtung wird dann wohl endgültig von einem anderen Geist bestimmt, als von dem, den sie erringen wollte.

Freitag, 27. November 2009

Elternwünsche

Dieses moderne Bewusstseins-Seelen-Zeitalter bringt immer stärkere Veränderungen in den Kinderseelen mit sich.
Es gehört schon zu den seit einigen Jahrhunderten bekannten Verwandlungen, dass normalerweise Kinder nicht mehr die Berufe ihrer Eltern ergreifen. Was in alten Zeiten als das Normalste angesehen werden musste, dass sich eben auch Lebensaufgabe und Beruf gewissermaßen mitvererbten, das ist heute mehr die Ausnahme geworden.

Aber die Veränderungen gehen noch weiter und tiefer: Es muss nun immer mehr davon ausgegangen werden, dass es zu einer gesunden Entwicklung dazu gehört, dass Kinder nicht einmal mehr die geheimsten Wünsche ihrer Eltern erfüllen werden. Dazu gehören eben auch Fragen wie Schulabschlüsse und Berufsziele. Die wahre Individualität eines Kindes kann man nicht kennen. Sie muss sich gegen das, was es bereits in der Welt - auch an Wünschen und Vorstellungen - gibt, erst hindurch arbeiten. Je überraschender das ist, was sich auf dem Lebensweg eines Kindes herausstellt, desto gewisser kann man heute wohl sein, dass das Kind seine Individualität entfaltet.

Entwickelt sich ein Kind ganz "wunschgemäß", so muss man misstrauisch werden, ob es sich in Wahrheit nicht nur nach den Prägungen und Wünschen der Umwelt richtet. Ob es sich nicht dabei einfach anpasst und somit auch sein ganzes Leben lang ein angepasster Mensch bleiben wird.
Ein anderes ist es, dass die Eltern durch die Art ihrer Erziehung das Kind zu den Zielen führen, die ihren eigenen Wünschen entsprechen. Auch auf diesem Weg wird sich die Individualität nicht entfalten können. Es kommt dann häufig im späteren Leben zu psychischen Krankheitserscheinungen oder anderen Gefühlen der Unzufriedenheit oder des Kreativitätsmangels.

Es sollte heute schon eine gewisse Freude sich in der Erzieherseele regen, wenn die Dinge sich bei Kindern in einer ganz anderen Richtung entwickeln, als sie irgendeiner bekannten Norm entsprechen.
Und eine Sorge, wenn das Kind ganz brav und konventionell sich entwickelt.

Donnerstag, 26. November 2009

Wir fordern: LESEFREIHEIT !

Als Kind habe ich selbst kaum ein Buch gelesen, sondern viel lieber gespielt. Wir haben es mit dieser Forderung, dass Kinder mehr lesen sollen, auch wieder mit einer weitverbreiteten Phrase zu tun:

"Der argentinische Schriftsteller Cesar Aira hält wenig von offizieller Leseförderung:
"Ich glaube, die Literatur ist für die Gesellschaft nicht besonders wichtig. Im Gegenteil, ich glaube, die Literatur war immer schon etwas für eine Minderheit, für ein ganz paar Leute. Und ich finde, was die Literatur angeht, sollte man in seiner Wahl völlig frei sein. Viele meiner Kollegen verkünden lautstark, Literatur müsse einen verbindlichen Charakter haben, man müsse die jungen Leute dazu bringen, dass sie lesen. Mir gefällt das nicht.
In unserer Gesellschaft wird allmählich so gut wie alles zur Pflicht - lassen wir es den Leuten doch freistehen, ob sie sich mit Literatur beschäftigen oder nicht. Es sollen die lesen, die Lust dazu haben. Das wird ihnen viele glückliche Augenblicke in ihrem Leben bescheren, aber auch wer nicht liest, kann sehr glücklich sein. Leseförderung ist in der letzten Zeit sehr in Mode gekommen, es gibt sogar Stiftungen zu diesem Zweck. Mein Verdacht ist, dass diejenigen, die für gutes Geld dort arbeiten, niemals lesen.
Wir, die wirklichen Leser, neigen viel weniger dazu, das Lesen zu propagieren. Vielleicht, weil wir gelernt haben, dass es die freieste Tätigkeit ist, die man überhaupt ausführen kann."

Quelle:http://www.perlentaucher.de/magazinrundschau/2009-11-17.html

Dienstag, 24. November 2009

Klassenspiele in der Waldorfschule

Im Goetheanum Nr 47 . 2009 wird über ein Treffen von Klassenlehrern in Dornach berichtet, die sich über das Thema "Klassenspiele" austauschen wollten:

"In vielen Waldorfschulen entsteht zur 8.Klasse hin ein ungeheurer Druck, ein Theaterstück zu inszenieren, das mindestens mit dem letztjährigen Klassenspiel mithalten kann. Ein voller Saal droht zum Maßstab zu werden.
Für manche Klassenlehrer... ist das eine enorme Herausforderung. Für viele eine Belastung, der sie sich nicht gewachsen fühlen.
Nicht zufällig ist daher wohl ein Trend zu beobachten, die Spiele in der achten und oft auch zwölften Klasse in die Hand von Fachleuten, sprich Menschen mit Schauspiel- oder Regieerfahrung abzugeben, in der Hoffnung, dass dann das Ergebnis auch stimmt. Die Pädagogen sorgen dann für den organisatorischen Rahmen und sind erleichtert!

Die Tagung der Pädagogischen Sektion am Goetheanum wollte Mut machen, diese Entwicklung zu hinterfragen: Wer hat ja zwingend festgelegt, dass ein gigantisches Theaterstück am Ende der achten Klasse zwingend und auf welchem Wege auch immer zustande kommen muss?...

Fachkundige Unterstützung von Theatermenschen ist dabei ...hilfreich...das Klassenspiel selbst ist aber eigentlich eine pädagogische Aufgabe!....

Im Gespräch wurde die Dringlichkeit deutlich, den Rhythmus der Arbeit am aktuellen Epochenthema möglichst wenig zu unterbrechen, um die Schüler nicht aus ihrem Rahmen fallen zu lassen. Proben könnten lange Zeit im rhythmischen Teil des Hauptunterrichts und in Vertretungsstunden stattfinden und so Teil des täglichen Lernens bleiben, wenn die Lehrer diese Arbeit tun. Erst zur Aufführung hin wären dann zusätzliche Arbeitsstunden nötig..."

Nach meiner Erfahrung sollte die Phase intensiver Proben vor der Aufführung auf keinen Fall länger als vier Wochen sein.

"Arbeiten" in der Oberstufe

Ein Oberstufenschüler meinte, dass man manchmal Klassenarbeiten oder Epochenhefte erst nach so langer Zeit wieder zurückbekäme und dass man dann gar nicht mehr genau wüsste, um was es sich dabei inhaltlich gehandelt habe.

Damit wird der pädagogische Wert einer Arbeit und auch deren Korrektur in Frage gestellt. Der Schüler hat den seelischen Bezug verloren.

Eine Heft-Korrektur oder eine Beurteilung einer Arbeit ist nur wirksam und sinnvoll, wenn sie recht schnell wieder an den Schüler zurückgeht.

Mittwoch, 18. November 2009

Waldorf-Witz


Mathematikunterricht

Hauptschule:
Ein Bauer verkauft einen Sack
Kartoffeln für 50,- Euro. Die Erzeugerkosten
betragen 40,- Euro. Berechne den Gewinn!

Realschule:
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln
für 50,- Euro. Die Erzeugerkosten betragen
4/5 des Erlöses. Wie hoch ist der Gewinn ?

Gymnasium:
Ein Agrarökonom verkauft eine Menge
subterraner Feldfrüchte für eine Menge
Geld (G). G hat die Mächtigkeit 50. Für die
Elemente aus G gilt: G ist 1. Die Menge
hat die Herstellungskosten (H). H ist um 10
Elemente weniger mächtig als die Menge
G. Zeichnen Sie das Bild der Menge H al s
die
Tilgungsmenge der Menge G und geben sie
die Lösung (L) für die Frage an: Wie mächtig
ist die Gewinnsumme?

Waldorfschule:
Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln
für 50,- Euro. Die Erzeugerkosten betragen
40,- Euro und der Gewinn 10,- Euro. Aufgabe:
Unterstreiche das Wort "Kartoffeln"
und singe ein Lied dazu.

Dienstag, 17. November 2009

FUNDSACHE:


Hausaufgabenbetreuung


Eltern sind keine Nachhilfelehrer

Braunschweig ( ddp ). Eltern sollten sich nicht zu sehr in die Hausaufgaben ihrer Kinder einmischen. " Mütter und Väter sind keine Nachhilfelehrer ", betont Diplom-Psychologe Frank Hofmann von der Erziehungsberatungsstelle am Domplatz in Braunschweig. Er fügt hinzu : " Wenn Eltern immer danebensitzen, lernen die Kinder nicht, selbstständig zu arbeiten. " Gleichwohl sollten Mütter und Väter ihrem Nachwuchs deutlich signalisieren, dass sie bei Nachfragen jederzeit zur Verfügung stehen.

Problematisch an der elterlichen Hausaufgabenhilfe sei außerdem, dass Vater und Mutter häufig der emotionale Abstand zu ihrem Nachwuchs fehle. " Sie neigen dazu, Antworten zu schnell vorwegzunehmen und Lösungen anzubieten ", sagt Hofmann. Dem Kind bleibe dann keine Zeit, nachzudenken und sich selbst Lösungen zu erarbeiten. " In der Folge verliert es schnell die Motivation, was wiederum Frustrationen bei den Eltern weckt. " Im ungünstigen Fall beeinträchtige dies Lernbereitschaft und Lernverhalten des Schülers.


Ziel der Eltern müsse sein, sich von den Hausaufgaben zurückzuziehen, je älter die Kinder werden, sagt der Erziehungsexperte. Spätestens nach der Grundschule sollten Schüler ihre Hausaufgaben auch ohne direkte Aufsicht der Eltern erledigen.

Hofmann empfiehlt Eltern zudem, sich gerade bei Pubertierenden aus den Hausaufgaben herauszuhalten. Das gelte insbesondere, wenn das Verhältnis zu dem Teenager ohnedies angespannt sei. Man laufe sonst Gefahr, dass altersgemäße Rivalitäten und Reibereien zwischen Eltern und Kind stellvertretend zulasten der Hausaufgaben ausgetragen würden.

Der Erziehungsberater rät daher, lieber auf Nachhilfelehrer zurückzugreifen. Das könnten sowohl professionelle Institute sein als auch ältere Schüler oder Studenten. " Abiturienten haben den Vorteil, dass sie aufgrund ihrer altersmäßigen Nähe eher als Vorbild betrachtet werden ", sagt Hofmann. Eine andere Möglichkeit sei, die Hausaufgaben in Arbeitsgruppen mit Gleichaltrigen erledigen zu lassen.

Hofmann hebt hervor, Eltern müssten sich darüber im Klaren sein, dass Konflikte bei den Schulaufgaben nicht ungewöhnlich sind. " Da brauchen Eltern kein schlechtes Gewissen zu haben – Selbstvorwürfe sind da fehl am Platz. "




Freitag, 13. November 2009

Mieke Mosmuller „Eine Klasse voller Engel“

Literaturhinweis:
Ein ernster Blick auf die Waldorfpädagogik
Waldorfpädagogik ist ohne lebendig und aktiv empfundene und erarbeitete Anthroposophie nicht denkbar. Gehört doch die "Allgemeine Menschenkunde" zu den anspruchsvollsten anthroposophischen Inhalten. Die Menschenkunde kann sich in der Seele nur entfalten, wenn sie auf einen geisteswissenschaftlich vorbereiteten und ständig gepflegten Boden fällt. Rudolf Steiner sprach davon, dass man Menschenkunde aufnehme, sie meditiere und dass dann aus der Seele die rechten Eingebungen für den Unterricht quellen.

Dieses wurde und wird nicht immer in der Waldorflehrerschaft mit dem nötigen Ernst empfunden. Die Tragik, die diese Tatsache für die heutige Situation der Waldorfschulen bedeutet, hat die holländische Ärztin und Autorin Mieke Mosmuller veranlasst, das Buch "Eine Klasse voller Engel" zu schreiben.

Darin wendet sie sich an diejenigen, die Rudolf Steiners ureigentliches pädagogisch-geistiges Anliegen ernst nehmen und in seinem Sinne Waldorfpädagogik verwirklichen wollen. Sie sieht, dass die schon von Steiner geschilderte Gefahr, dass das Anthroposophische durch das intellektuelle Denken – auch in den Seelen gut meinender Anthroposophen – zu erstarren und ersterben droht, in starkem Maße eingetreten ist.

Schon in der Ausbildung zum Waldorflehrer nehmen nach ihrer Erkenntnis die Studierenden pädagogische und geistige Inhalte so auf wie andere Wissensinhalte auch. Meist seien die Fähigkeiten für einen lebendigen Umgang mit diesen Wissensinhalten noch gar nicht entwickelt und auch später im aktiven Berufsleben würden diese Fähigkeiten nicht mehr ausreichend ausgebildet.

Mieke Mosmuller entwickelt deshalb in diesem Buch Methoden und Inhalte, die in der Waldorflehrerausbildung hinzu kommen oder verstärkt werden müssen, damit die Seelen der Studierenden die nötigen Empfindungsfähigkeiten entwickeln, bevor anthroposophische und menschenkundliche Inhalte an sie herangebracht werden.

Als Ausgangspunkt nimmt sie z.B. die Notwendigkeit, dass zunächst die Stimmung der Ehrfurcht entwickelt werden solle:
„Die erste Qualität der Seele, diese wunderbare Fähigkeit, die erweckt werden muss, liegt in unserer Zeit tief in der Seele verborgen. Meistens ist sie gar nicht da, scheint nicht angelegt zu sein... Es ist die Stimmung, die in „Wie erlangt man....“ als Grundstimmung gefordert wird, als erste Bedingung. Es ist die Stimmung der Ehrfurcht, … Wer Kinder erziehen will, muss den Pfad der Verehrung gegangen sein....“ (S.33)

Mit klarer, bewusster, geistgetragener Begrifflichkeit und Gedankenführung entwickelt Frau Mosmuller ein umfassendes Bild einer Waldorf-Lehrerausbildung und betrachtet mit konsequenter Urteilskraft Symptome heutiger Waldorfpädagogik. Etwas Vergleichbares wurde bisher aus anthroposophischer Gesinnung heraus nach meiner Kenntnis noch nicht veröffentlicht. Jeder Waldorflehrer, der mit Sorge auf die heutige Situation in den Lehrerkollegien blickt und dem die Zukunft der Waldorfpädagogik am Herzen liegt, sei es empfohlen, dieses Buch zu lesen und selbstkritisch die Inhalte zu bewegen.

Sonntag, 8. November 2009

Selbständiges Arbeiten ist eine Ich-Tätigkeit

Neben der negativen Bewertung des "Frontalunterrichts" gibt es eine weitere Phrase, die sinnvollen Unterricht durch eine Lehrerpersönlichkeit verunglimpfen will:
Es ist die Forderung nach den so genannten "selbständigen Schülerarbeiten".

Schon in der dritten Klasse sollen die Kinder selber zu Hause ein kleines Häuslein bauen. Da kommen dann schon die meisten Familien ins Schwitzen, weil die Kinder das gar nicht alleine machen können.

Dann gibt es noch das nette Handwerker-Epochen-Projekt, wo man die Kinder etwas mauern lassen soll. Ich habe schon ganze Elternschaften erlebt, die jahrelang noch an der Vollendung dieses Projektes herumdokterten.
Aber immer wieder werden solche Renommier-Projekte untereinander mit süßen Worten verkauft, mit der Begründung, dass die Kinder dabei ja so schön selber etwas tun könnten.

Das geht dann weiter mit den "Jahres-Arbeiten", die die Kinder so ganz selbständig vollenden sollen.

Man kann verstehen, dass Menschen, die nie die anthroposophische Menschenkunde studiert haben, solchen Ideen anhängen.
Aber, wenn man einmal etwas über die verschiedenen Wesensglieder gehört oder gar gelernt hat, dann fällt es nicht schwer zu erkennen, dass Selbstständigkeit eine Ich-Tätigkeit ist. Eine erwachsenene, voll ausgebildete Individualität soll selbstständig arbeiten können. Aber noch nicht ein Schüler.

Im jüngeren Alter wird ein Mensch die Aufgaben erfüllen lernen, die man in der rechten Weise an ihn heranträgt. Er wird dann diese Aufgaben in Qualität und Quantität nach seinen Fähigkeiten individuell ausführen.
Daran kann der Erzieher die individuelle Leistungsfähigkeit eines Kindes erkennen und er wird dann auch dem jeweiligen Schüler individuell das abverlangen, was seinen Fähigkeiten entspricht und ihn so fördern.

Wenn das Kind aus eigenem Antrieb oder durch Anregung eines Erwachsenen selbstständig etwas erarbeitet, so wird man sich darüber freuen und kann es auch aufgreifen.
Wobei immer sorgfältig zu prüfen ist, ob sich Eitelkeit und Ehrgeiz in der Kinderseele regen oder nicht.


Montag, 2. November 2009

Die "Anbiederung" - ein größeres Lehrerproblem

Die Dichterin Ulla Hahn hat ihren zweiten autobiographischen Roman "Aufbruch" veröffentlicht. Darin macht die Hauptfigur das Abitur. In Mathematik lautet eine Aufgabe folgendermaßen:
"Jedes Spiel ein Treffer!...Auf einem Schulfest wird ein Glücksrad aufgestellt, wobei die zu gewinnenden Preise... "

Und nun der Kommentar der Abiturientin zu dieser Aufgabe: "Niederschmetternd war das! Schlimmer als alles, was Meyer (der Lehrer) je zuvor an Geschichten aufgetischt hatte. Glücksspiel! ... Und dann diese Anbiederung an das gewöhnliche Leben. Glücksrad und Schulfest...." (S.365)

Es gehört zu den größten pädagogischen Fehlern, wenn der Lehrer meint, er müsse durch den Inhalt der Aufgabenstellung den Schülern entgegenkommen: So erfindet man Rechenaufgaben mit Bonbons und Schokoküssen usw. Oder man beginnt eine Bruchrechen-Epoche mit einem Kuchen.

Die Schülerseele wird wohl äußerlich oft positiv darauf reagieren, es aber auf einer tieferen Ebene verachten.

Es gibt eine Welt, die gehört nicht für pädagogische Zwecke in die Schule gezerrt. Verwendet der Lehrer etwas, das aus der Privatsphäre des Kindes stammt, aus seinem Spiel- oder Festtagsbereich, dann fühlt sich die Kinderseele zutiefst beleidigt. Sie muss das verachten. Sie verachtet auch den Lehrer, der es nötig hat, solche Inhalte zu verwenden, der es locken, verführen, bestechen will.
Das Kind will in die große Welt geführt werden, in eine Welt, die es noch nicht wirklich kennt. Es will nicht, dass der Lehrer seine schönsten Dinge - dazu gehören auch die Süßigkeiten - in den Unterricht trägt.

Man kann ihm dadurch das Schönste verleiden. Ulla Hahn nennt dies "Anbiederung".

Nie werde ich vergessen, wie mir der "Werther" schon dadurch verleidet wurde, dass der Lehrer im Hinterkopf den Gedanken hegte, dieser Stoff wäre etwas, was wir in unserem Alter gerne lesen würden.



Wenn Eltern zu sehr streben

Eine kleine Anekdote

von Birgitta vom Lehn - Die Welt- 31.10.2009, Seite 8


"Schulferienfreie Zeit, ein Hotel auf einer Nordseeinsel, Mutter gönnt sich ein Auszeit-Wochenende: Eine vierköpfige Familie mit zwei Kleinkindern sitzt neben mir am Frühstückstisch, alle manierlich gekleidet, die Tischsitten - selbst der Jüngsten - beachtlich.
Scherzend werfe ich den Satz herüber: "Das finde ich aber toll, dass Sie sich jetzt hier eine kindergartenfreie Zeit gönnen!" Da antwortet die Mutter schuldbewusst: "Ja, wir arbeiten hier aber auch das Pensum nach, was im Kindergarten gerade versäumt wird." Wie bitte? Passen Sandburgenbauen und Wattwandern nicht mehr zum Etikett "frühkindliche Bildung"? Die Mutter gibt gleich zu erkennen, was sie gemeint hat: "Kennst du ein Tier, das mit O anfängt? Welche Blume fängt mit G an?" Unentwegt traktiert sie ihren vierjährigen Sohn mit "Lernfragen". Das Bürschlein schielt derweil nur zum Büfett hinüber, es scheint die Fragen der Mutter gar nicht wahrzunehmen.
Ein paar Tage später, wieder daheim: Die Mutter eines Klassenkameraden ruft an. Völlig aufgelöst ist sie: Ihr (einziger) Sohn habe "Versagensängste", er habe eine Sache in Mathe noch nicht richtig kapiert, ob unser Ältester das noch mal auf die Schnelle "fernmündlich" erklären könne. Eine Klausur stehe heute an, und es komme doch jetzt auf jeden Punkt an; Medizin wolle Sohnemann studieren, und ein Stipendium, ja, das könne man sich abschminken, wenn nicht alle Noten "erstklassig" seien. Ich bin wieder perplex: Weil die Mutter erstens exakt das Klausurleben ihres 17-jährigen Sohnes verfolgt und zweitens die absehbaren Folgen einer vermeintlichen Niederlage schon im Blick hat. Ihr Sohn ist allerdings ein Einser-, kein Abstiegskandidat. Die Fragen wären also nur die: Schafft er diesmal die Eins oder nur die Zwei? Betreffen die Versagensängste den Sohn oder nur die Mutter? ....
Die Autorin ist freie Journalistin"
Quelle: http://www.welt.de/

Sonntag, 1. November 2009

Was braucht ein Junge?

Aus einem Interview mit Gerald Hüther in der FAZ 1.11.2009:

„Das Wichtigste wäre ein richtig guter Vater“

01. November 2009
Der Hirnforscher Gerald Hüther fordert im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung bessere Vorbilder für Jungs. Dafür aber müssten Männer umdenken.

"Das Wichtigste wären ein richtig guter Vater und noch ein paar andere Männer im Verwandten- und Freundeskreis, die selbst gern Männer sind, die mit diesem Jungen was unternehmen und ihn so mögen, wie er ist. Liebe heißt ja nicht, dass man den ganzen Tag schmust. Man muss den Kindern eine Chance geben, ihre Potentiale zu entfalten."