Literaturhinweis:
Ein ernster Blick auf die Waldorfpädagogik
Waldorfpädagogik
ist ohne lebendig und aktiv empfundene und erarbeitete Anthroposophie
nicht denkbar. Gehört doch die "Allgemeine Menschenkunde" zu den
anspruchsvollsten anthroposophischen Inhalten. Die Menschenkunde kann
sich in der Seele nur entfalten, wenn sie auf einen
geisteswissenschaftlich vorbereiteten und ständig gepflegten Boden
fällt. Rudolf Steiner sprach davon, dass man Menschenkunde aufnehme, sie
meditiere und dass dann aus der Seele die rechten Eingebungen für den
Unterricht quellen.
Dieses wurde und wird nicht immer
in der Waldorflehrerschaft mit dem nötigen Ernst empfunden. Die Tragik,
die diese Tatsache für die heutige Situation der Waldorfschulen
bedeutet, hat die holländische Ärztin und Autorin Mieke Mosmuller
veranlasst, das Buch "Eine Klasse voller Engel" zu schreiben.
Darin
wendet sie sich an diejenigen, die Rudolf Steiners ureigentliches
pädagogisch-geistiges Anliegen ernst nehmen und in seinem Sinne
Waldorfpädagogik verwirklichen wollen. Sie sieht, dass die schon von
Steiner geschilderte Gefahr, dass das Anthroposophische durch das
intellektuelle Denken – auch in den Seelen gut meinender Anthroposophen –
zu erstarren und ersterben droht, in starkem Maße eingetreten ist.
Schon
in der Ausbildung zum Waldorflehrer nehmen nach ihrer Erkenntnis die
Studierenden pädagogische und geistige Inhalte so auf wie andere
Wissensinhalte auch. Meist seien die Fähigkeiten für einen lebendigen
Umgang mit diesen Wissensinhalten noch gar nicht entwickelt und auch
später im aktiven Berufsleben würden diese Fähigkeiten nicht mehr
ausreichend ausgebildet.
Mieke Mosmuller entwickelt
deshalb in diesem Buch Methoden und Inhalte, die in der
Waldorflehrerausbildung hinzu kommen oder verstärkt werden müssen, damit
die Seelen der Studierenden die nötigen Empfindungsfähigkeiten
entwickeln, bevor anthroposophische und menschenkundliche Inhalte an sie
herangebracht werden.
Als Ausgangspunkt nimmt sie z.B. die Notwendigkeit, dass zunächst die Stimmung der Ehrfurcht entwickelt werden solle:
„Die
erste Qualität der Seele, diese wunderbare Fähigkeit, die erweckt
werden muss, liegt in unserer Zeit tief in der Seele verborgen. Meistens
ist sie gar nicht da, scheint nicht angelegt zu sein... Es ist die
Stimmung, die in „Wie erlangt man....“ als Grundstimmung gefordert wird,
als erste Bedingung. Es ist die Stimmung der Ehrfurcht, … Wer Kinder
erziehen will, muss den Pfad der Verehrung gegangen sein....“ (S.33)
Mit
klarer, bewusster, geistgetragener Begrifflichkeit und Gedankenführung
entwickelt Frau Mosmuller ein umfassendes Bild einer
Waldorf-Lehrerausbildung und betrachtet mit konsequenter Urteilskraft
Symptome heutiger Waldorfpädagogik. Etwas Vergleichbares wurde bisher
aus anthroposophischer Gesinnung heraus nach meiner Kenntnis noch nicht
veröffentlicht. Jeder Waldorflehrer, der mit Sorge auf die heutige
Situation in den Lehrerkollegien blickt und dem die Zukunft der
Waldorfpädagogik am Herzen liegt, sei es empfohlen, dieses Buch zu lesen
und selbstkritisch die Inhalte zu bewegen.