Freitag, 26. Juni 2009

Entwicklungen

Wie die Bewusstseinsseele sich in den letzten Jahrzehnten bei unseren Kindern entwickelt, kann man an folgendem Beispiel sehen.

Im vierten Schuljahr werden im Deutschunterricht die Zeiten behandelt. Man spricht über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Nun verstärkt man die Empfindung der Schüler durch die Zuordnung von Farben zu den einzelnen Zeiten.

In einem ersten Durchgang mit einer Klasse zwischen 1980 und 1990 war es etwa so, dass ich den Kindern leicht verständlich machen konnte, dass wir z.B. die Vergangenheit blau empfinden können (Gewordenes), die Gegenwart rot (lebendig, aktiv), die Zukunft gelb ( noch offen, frei strahlend, ungeworden, freudig erwartet).

In einem nächsten Durchgang (ca 1990-2000) gab es darüber schon ein ausführlicheres Gespräch, welche Farben passend wären. Man konnte sich dann gut auf die drei Grundfarben einigen.

In einem weiteren Klassendurchgang - nun im Jahre 2009 - gab es ungeheuer viele individuelle Farbempfindungen der Kinder, die sie auch gerne äußern wollten. Was man als Durchschnitt nur herausfinden konnte, war, dass für die Vergangenheit eher ein dunklerer Farbton empfunden wurde für die Zukunft ein hellerer. Rot kam am häufigsten für die Gegenwart.

Für diese Kinder nun war es nur möglich eine Empfehlung zu geben, dass man gut mit blau-rot-gelb die Zeiten ausdrücken könne, dass aber es jedem Kind freigestellt sei, seine eigenen Farben zu verwenden.

Mit Freude verwendeten dann einige Kinder ihre eigenen Farbvorschläge, andere folgten gern der Empfehlung.

Das ist Ausdruck der Bewusstseinsseele, wie sie heute in den Kindern lebt. Es wird alles individueller, aber die Empfindungen sind auch gesteigert.

(Ich weiß, dass es in der Waldorfliteratur (z.B. bei Tittmann) auch andere Farbzuordnungen gibt. Wichtig erscheint mir aber eher, mit den Kindern überhaupt in eine Empfindung zu gehen, als die "objektiv richtigen" Farben zu definieren.)

Sonntag, 21. Juni 2009

Zeugniszeit - Ferienzeit

"...Und dann sollte es eine Seite geben für jedes Kind in deiner Klasse. Einmal in der Woche ... solltest du eine Beobachtung, egal, wie nebensächlich sie auch scheint, über das Kind notieren. Wie ist es angezogen, mit welchem Ausdruck liest es, wie sind seine Launen, seine neuen Freundschaften, seine neue Begeisterung für das Rechnen? Solche Notizen werden deine Beobachtungskräfte wecken, und am Ende wirst du zutreffende Notizen haben, wenn die Zeugniszeit kommt. (S.29)

Jeden Sommer solltest du ein oder zwei Bücher lesen, die Hintergrundmaterial bieten für eine Epoche, die du erst in einigen Jahren unterrichten wirst. Zum Beispiel in dem Sommer vor der zweiten Klasse lies eine Biographie von Martin Luther; in dem Sommer vor der vierten Klasse nimm dir Ernst Lehrs Mensch und Materie vor, um über Naturwissenschaft in der achten Klasse nachzudenken. Auf diese Weise wird dein Interesse wachsen, lange bevor die strenge Notwendigkeit dir befiehlt, neue Wissensgebiete zu entwicklen. .... (S.18)
Quelle: Eugene Schwarz Überlebenshandbuch für Waldorflehrer, Maroverlag, 2000



Man möchte diese Ratschläge noch dadurch ergänzen, dass man empfiehlt, in den Ferien mehr Literatur zu lesen, die das Gefühl anspricht, als jene, die den Kopf anspricht. Also besonders Bücher, die man gut für den Erzählteil brauchen kann oder die in irgendeiner Weise die Phantasie beflügeln und als Hintergrund für verschiedene Epochen dienen können.


Immer noch wird die Bedeutung des Künstlerischen, Literarischen, des Schönen und der Phantasie in der alltäglichen Vorbereitung unterschätzt. Für die meiste Unterrichtsvorbereitung in der Klassenlehrerzeit braucht man viel weniger intellektuelles Wissen als man auch in Waldorfkreisen verbreitet denkt.

Wenn auf einem bescheideneren Wissensfundament eine recht aktive, künstlerische Phantasie des Lehrers sich entzündet, dann wird die Klasse davon mehr Gewinn haben. Ist die Vorbereitung schon intellektuell, dann wird es auch den Unterricht färben und die Kinderseelen werden nur mangelhaft erreicht.

Und wer sich in den Ferien nicht richtig erholt, nicht kräftig Herz und Seele erfrischt, dem wird auch das nächste Schuljahr zu viele Kräfte kosten.

Freitag, 19. Juni 2009

Lehrer-Eltern-Beziehung

Nähe oder Distanz

Es liegt nach meiner Erfahrung ein erhebliches Konfliktpotenzial vor, wenn ein Klassenlehrer nicht zu allen Eltern eine gleichmäßige, ausgewogene Beziehung zu entwickeln versucht.

Zu viel Kontakt und Nähe zwischen dem Lehrer und einzelnen Eltern wird von den anderen misstrauisch angesehen. Schon droht eine innere Spaltung in der Elternschaft.

Es bräuchte eine Art Ehrenkodex in einem Kollegium, was den Umgang mit Eltern angeht. Wie nah oder freundschaftlich eine solche Beziehung sein kann oder eben nicht.

Es geht dabei immer um Ausgewogenheit.

Lehrer unterschätzen manchmal ihre unbewusste, von außen zugeschriebene Machtstellung. Mancher stellt stellt sich dann gern neben diese Macht und versucht etwas von ihrem Glanz abzubekommen. Die anderen Eltern werden dadurch automatisch zu einer Art Volk. Dieses aber liebt die Macht nicht und beginnt leise zu revoltieren.

Dabei ist es besonders schwierig, wenn man ein jüngerer Klassenlehrer ist, den Müttern gegenüber, die sehr empfänglich für diese Nähe sind; für Kolleginnen, den Vätern gegenüber.

Es ist ja häufig auch so, dass es "schwierigere" und "weniger schwierige" Eltern gibt. Das kann in der Stimmung der Elternschaft eine große Rolle spielen. Hier wäre von Seiten des Lehrers eine ausgleichende Wirkung heilsam. Man versuche z.B. auf Elternabenden, die "Schwierigeren" besonders herzlich innerlich anzunehmen und auch ihren Argumenten Berechtigung zuteilen.

Bei den übermäßig Positiven ist es sinnvoll, dass man sie äußerlich ganz leicht und sachlich auf Distanz hält, innerlich wird man sie genauso herzlich annehmen können. Man kann ihre Beiträge auch einmal weniger stark befürworten, bzw. gleichberechtigt neben die der anderen stellen.

Man wird bemerken, dass oft pädagogische Schwierigkeiten einhergehen mit ungleichmäßiger Verteilung der Sympathien des Lehrers den Eltern gegenüber.

Auch sind die Zeiten der Klassenführung in solchen Fällen häufig begrenzt.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Ansprachen halten

Ein großes Thema an allen Bereichen verantwortlicher Tätigkeit ist das Halten von Ansprachen.

In irgendeiner Form kommt jeder immer wieder in die Lage, eine größere oder kleinere Ansprache halten zu sollen oder zu müssen. Da diese Aufgabe nur von wenigen sehr gern wahrgenommen wird, und die anderen froh sind, wenn es jemand macht, ist es auch schwierig, konstruktive Gespräche über dieses Thema zu führen.

Würde man hinterher etwas zum Stil einer Ansprache sagen, so würde dies schnell als Unfreundlichkeit aufgefasst. So bleibt man lieber bei seinem gewohnten Stil , als dass man das "Redenhalten" als ein gemeinschaftliches Lernfeld betrachtet.
Den Rednerkurs Steiners haben die wenigsten gearbeitet; andere Rednerkurse wohl auch nicht.

Einige Dinge fallen immer wieder auf:

Der Redner beginnt damit, dass er sich z.B. über ein zahlreich erschienenes Publikum freut, oder was häufiger ist, über ein weniger zahlreiches Publikum nicht freut. Er spricht seine Empfindungen und Gedanken dazu laut aus.

Das ist schon einmal etwas, was das Publikum überhaupt nicht interessiert, sondern nur den Redner. Der Zuhörer kommt, um etwas über die angeküdigte Sache zu hören, und nicht etwas anderes. Besonders enttäuschend sind solche Worte, gerade weil sie am Anfang stehen, wo man sich doch wünscht gleich deutlich in das Thema hineingeführt zu werden.

In vielen Ansprachen geht es zu wie bei manchen Lehrern in der Klasse:

Der erste Schultag nach den Ferien. Man nimmt ihn "ganz locker" und lässt die Kinder gemütlich aus den Ferien plaudern. Damit beginnt das Schuljahr für die Kinder schon mit der allergrößten Enttäuschung, was das Lernen angeht.

Die Kinder gehen zur Schule und die Zuhörer gehen in eine Veranstaltung, weil sie etwas davon haben wollen. Dem Aufwand muss sofort ein ersichtlicher Ertrag entsprechen. Der erste Schultag ist der wichtigste. So auch der Anfang einer Ansprache.

Viele Redner steigern das Problem z.B. noch dadurch, dass sie lauthals darüber reflektieren, warum sie das Thema ausgewählt haben oder wie sie bei der Vorbereitung vorgegangen seien.

Ganz und gar unglücklich wird der Zuhörer, wenn der Redner gar noch so Dinge wie: Er habe z.B. nicht genügend Zeit gehabt sich vorzubereiten, äußert. Manchmal hört man auch gleich zu Anfang, dass das Thema viel zu groß und umfassend sei, um es an einem Abend zu behandeln.

Bei allen diesen Dingen entsteht ein schales Gefühl beim Zuhörer: Warum hält er dann überhaupt einen Vortrag? Dann sollte er es lieber lassen! Wenn das Thema zu umfangreich ist, dann muss man eben eine Vortragsreihe halten oder die Sache so bearbeiten, dass man an einem Abend etwas Wesentliches lernt. Und dann ist es eben nicht mehr zu umfangreich.


Alle diese Selbstreflektionen interessieren den Zuhörer überhaupt nicht, sie enttäuschen ihn nur.
Der Zuhörer kommt, um über das angekündigte Thema etwas zu hören.


Die Kolleginnen und Kollegen


Bei Ansprachen vor Schülern hört man Lehrer immer wieder davon erzählen, was die "Kollegen und Kolleginnen" oder gar das "Kollegium" alles so meinten oder täten. Man versetze sich einmal in einen Schüler und überlege, was er wohl mit dem Begriff "Kollege" verbindet? Nichts! Für ihn gibt es nur Lehrerinnen und Lehrer. "Kollegen" sind für ihn die Mitschüler.

Samstag, 13. Juni 2009

Zeugniszeit - Schuljahresende - Johanni-Monatsfeier

Aus einer Ansprache anlässlich der Johanni-Schulfeier kurz vor den Sommerferien:

"Wie der Bauer die Ernte einfährt und im Herbst dann freudig das Erntedankfest feiert, so ist für den Lehrer das Ende eines Schuljahres. Er fährt die Ernte ein, indem er beim Schreiben der Zeugnisse auf die Schüler blickt und ihre Entwicklung im Laufe eines Schuljahres an sich vorüber ziehen lässt.

Es findet gewissermaßen eine Hoch-Zeit statt, eine Vermählung des Lehrers mit der Schülerseele. Eigentlich versucht er das täglich bei seiner Unterrichtsvorbereitung, aber zum Schuljahresende beim Zeugnisschreiben geschieht dies in besonders intensiver Weise. Er erlebt dabei das Wunder der menschlichen Entwicklung. Welche gewaltigen Fortschritte hat im Grunde jede Schülerseele vollzogen. Man mag sich einerseits Sorgen machen, bei den Dingen, die sich noch nicht so wünschenswert entwickelt haben. Anderseits überwiegt aber fast immer die Freude, die Bewunderung über das, was geschehen ist. So wird die Zeit des Zeugnis-Schreibens für den Lehrer zu einer Festeszeit, zu einem Erntedankfest. ..."

Relief "Eros und Fabel" - 9.Bildtafel



"Wirf das Schwert weg‹, rief Fabel (zu Eros, der vom alten Helden das Schwert erhalten hatte), ›und erwecke deine Geliebte.‹ Eros ließ das Schwert fallen, flog auf die Prinzessin zu, und küßte feurig ihre süßen Lippen. Sie schlug ihre großen dunkeln Augen auf, und erkannte den Geliebten. Ein langer Kuß versiegelte den ewigen Bund.

Von der Kuppel herunter kam der König mit Sophien (seiner Gemahlin) an der Hand. Die Gestirne und die Geister der Natur folgten in glänzenden Reihen.

....Perseus trat herein, und trug eine Spindel und ein Körbchen. Er brachte dem neuen Könige das Körbchen. ›Hier‹, sagte er, ›sind die Reste deiner Feinde.‹ Eine steinerne Platte mit schwarzen und weißen Feldern lag darin, und daneben eine Menge Figuren von Alabaster und schwarzem Marmor. ›Es ist ein Schachspiel‹, sagte Sophie; ›aller Krieg ist auf diese Platte und in diese Figuren gebannt. Es ist ein Denkmal der alten trüben Zeit.‹ Perseus wandte sich zu Fabel, und gab ihr die Spindel. ›In deinen Händen wird diese Spindel uns ewig erfreuen, und aus dir selbst wirst du uns einen goldnen unzerreißlichen Faden spinnen.‹ Der Phönix flog mit melodischem Geräusch zu ihren Füßen, spreizte seine Fittiche vor ihr aus, auf die sie sich setzte, und schwebte mit ihr über den Thron, ohne sich wieder niederzulassen. Sie sang ein himmlisches Lied, und fing zu spinnen an, indem der Faden aus ihrer Brust sich hervorzuwinden schien.

(Herein kamen) Ginnistan und ihr Bräutigam (der Vater- rechts im Bild, dabei Sophie), wie im Triumph.

...Die Hesperiden (links im Bild) ließen zur Thronbesteigung Glück wünschen, und um Schutz in ihren Gärten bitten. ... Unterdessen hatte sich unmerklich der Thron verwandelt, und war ein prächtiges Hochzeitbett geworden, über dessen Himmel der Phönix mit der kleinen Fabel schwebte. Drei Karyatiden aus dunkelm Porphyr trugen es hinten, und vorn ruhte dasselbe auf einer Sphinx aus Basalt. Der König umarmte seine errötende Geliebte, und das Volk folgte dem Beispiel des Königs, und liebkoste sich untereinander. Man hörte nichts, als zärtliche Namen und ein Kussgeflüster. Endlich sagte Sophie: ›Die Mutter ist unter uns, ihre Gegenwart wird uns ewig beglücken. Folgt uns in unsere Wohnung, in dem Tempel dort werden wir ewig wohnen, und das Geheimnis der Welt bewahren.‹ Die Fabel spann emsig und sang mit lauter Stimme:


Gegründet ist das Reich der Ewigkeit,
In Lieb' und Frieden endigt sich der Streit,
Vorüber ging der lange Traum der Schmerzen,
Sophie ist ewig Priesterin der Herzen.«


Freitag, 12. Juni 2009

Ernsthaftigkeit im Unterricht

Man kann es erleben, dass im Unterricht zu Beginn einer Stunde eine Kerze angezündet wird. Dem Unterricht wird dadurch eine bestimmte Feierlichkeit verliehen.
Eine Kerze ist heute fast schon ein kultisches, religionsartiges Element, da sie zum Lichtspenden kaum noch benutzt wird.

Doch dann schreitet der Unterricht voran. Es kann laut werden in der Klasse. Es kann auch der Lehrer laut werden. Aber keiner achtet mehr auf die Kerze. Sie brennt so vor sich hin. Da wird es problematisch. Am schwersten ist es den rechten Punkt zu finden, an dem die Kerze wieder gelöscht werden muss.

Ansonsten verliert die Kerze ihre Bedeutung, ihren Wert und Sinn. Als Abrundung dieser Unterrichtsphase, in der die Kerze gewissermaßen zum Mitwirker des Unterrichts wird, gehört auch ein Löschen der Kerze, bzw. sogar ein feierliches Löschen.

Es gibt auch andere Dinge, die erzieherisch wertlos werden manchmal sogar schädlich wirken, wenn sie nicht vom wachsten Bewusstsein begleitet werden.Z.B. der Einsatz akustischer Signale im Unterricht: Wird ein Glöckchen verwendet, um zur Ruhe zu ermahnen? Wenn es sogleich ruhig wird, dann mag es noch angehen. Wenn es aber nicht mehr sofort wirkt, dann sollte das Glöckchen schnellstmöglich verschwinden. Es hat ausgedient und ist ab jetzt nur noch ein weiterer Lärmerzeuger.

Ein Jahreszeitentisch, der nicht von einem liebevollen Bewusstsein ständig betreut wird, der in Wirklichkeit seit einigen Tagen nur "herumsteht", kehrt seine positive Wirkung um.

Donnerstag, 11. Juni 2009

Eine gute Unterrichtsvorbereitung

Aus dem

„Überlebenshandbuch für Waldorflehrer“
von Eugene Schwartz, S.. 19 - 22

(Eine kleine Anmerkung möge noch gestattet sein: Die Autorin ist Amerikanerin und einige Inhalte sind nur verständlich, wenn man weiß, dass es sich um amerikanische Waldorfschulen handelt)


Ein Waldorflehrer klagt, dass er nicht genügend Zeit für alles habe:


"...Entweder brauche ich eine Sekretärin oder eine Acht Tage-Woche. Es ist aber so, dass ich auch eine Familie habe, ein reparaturbedürftiges Haus und einen Teilzeit Job um mein Waldorfgehalt zu ergänzen. Wie schaut deine Lösung in Bezug auf ZEIT aus?

Eugene Schwartz antwortet:
Das fragt jeder. Computer, Düsenflugzeuge, und Haushaltsgeräte haben alle angeblich unsere Zeit befreit für geistige Unternehmungen. In der Tat scheint die Zeit schneller verbraucht als befreit zu werden. Hier sind einige Gedanken, die mir geholfen haben:
Wir nähern uns dem dritten Jahrtausend, ein "Wendepunkt in der Zeit," und es ist selbstverständlich, dass unser Bewusstsein für die Bedeutung und das Vergehen der Zeit geschärft wird.
....

.... du meinst, ich sollte mich am Abend vorher vorbereiten statt frühmorgens auf die Schnelle.

Ab und zu hat jeder Lehrer dieses wunderbare Erlebnis: er bereitet sich lange und intensiv am Abend vor und entwickelt zunehmend Interesse für seinen Stoff In der Früh sieht er seine Notizen noch einmal durch und kommt total begeistert ins Klassenzimmer. Er fängt mit dem Unterricht an; ein Kind meldet sich und stellt eine Frage. Um die Frage zu beantworten, wird der Lehrer genötigt, den Blickwinkel seines Unterrichts zu verändern. Indem dies aber geschieht, entsteht ein anderer Hauptunterricht, einer, der vertiefter, umfangreicher und künstlerischer ist als der, den er geplant hatte.

So viel Vorbereitungszeit verschwendet!

Überhaupt nicht! Denk nur: So viel metamorphosierte Vorbereitungszeit! Der Lehrer hatte sich so sehr in seinen Stoff vertieft, dass er ihn mit in den Schlaf genommen hatte, fein eingeprägt in seinem Astralleib und seinem Ich. In der geistigen Welt traf er auf seine Klasse, als Seelen und Geistwesen. Mit ihr zusammen traf er dann auf Engel und andere hierarchische Wesen. Mit dieser "Klasse" wurde ein neuer Unterricht geplant ein Unterricht, der sich aus dem Dialog zwischen Lehrer und Schüler entwickeln sollte.

Du meinst, der Hauptunterricht wird, wie eine Ehe, im Himmel vorbereitet?

Nur ein guter Hauptunterricht! Und der Himmel kann nur weiter arbeiten mit dem, was wir uns selber auf der Erde angeeignet haben. Aber wenn alles gut geht, dann sind die Kinder unsere Mit Lehrer, während wir im Klassenzimmer unterrichten. Die Fragen, die sie stellen, können uns daran erinnern, die Vorhaben, die wir in der geistigen Welt gefasst haben, durchzuführen. ..."

Mittwoch, 10. Juni 2009

Waldorf-Zeugnisse am Computer?

Nach wie vor halte ich es in einer Waldorfschule, wo alles vom Menschlichen durchtränkt sein soll, für eine Selbstverständlichkeit, dass man Zeugnisse handschriftlich ausstellt.

Wir verzichten im Unterricht weitgehend auf Medien und betrachten den Unterricht als etwas, was unmittelbar zwischen dem Lehrer und dem Kinde webt. Wir erwarten handschriftliche Epochenheftführung und versuchen mit den Schülern künstlerisch zu arbeiten. Sie sollen ja auch eine schöne Handschrift bekommen.

So kann man auch das Zeugnis-Schreiben als einen künstlerischen Prozess betrachten. Man wird dabei selber eine Gelegenheit haben, seine Handschrift zu schulen.

Ganz anders ist dies in den oberen Klassen der Oberstufe.

Nun sollen Waldorfzeugnisse auch einmal bei Bewerbungen draußen vorgelegt werden. Jetzt wird das handgeschriebene Zeugnis zur Zumutung für die Betriebe. Lange Texte, oft auf furchtbar engem Raum zusammengequetscht, mit einer sehr "individuellen, doktorhaften" Handschrift, wo man lange braucht, die einzelnen Buchstaben zu entziffern - das ist eine Unmöglichkeit und wirft ein schlechtes Licht auf eine gute Schulzeit.

Hier sind maschinengeschriebene Texte geradezu eine Notwendigkeit. Denn hier geht es nicht mehr um schulinterne Gesichtspunkte, sondern um die Maßstäbe der Welt draußen.

Richtige Kollegialität

"Willig zusammenarbeiten! Gegenseitig sich verstehen im Kollegium! ... Man muss Interesse daran haben, über pädagogische Fragen zu reden. Wir sollten zu pädagogischen Referaten (z.B. für Konferenzen oder Elternabende - Anm. D.C.) keine Vorbereitungen zu pflegen haben. Ganz skizzenhaft die Sache machen, wie auf einem Spaziergang, und dann eine fruchtbringende Aussprache daran anknüpfen."


Rudolf Steiner, Konferenzen II, S.80

Falsche Kollegialität

Das folgende Buch enthält für Waldorflehrer meiner Meinung nach ganz ausgezeichnete Hinweise. Hier ein erster kleiner Auszug:


Aus dem
"Überlebenshandbuch für Waldorflehrer"
von Eugene Schwartz

- S.90 ff :


"Stellen wir uns zum Beispiel vor, ein Elternteil sagt dir, "Das Drittklassspiel, das Mrs.Jones mit ihrer Klasse aufgeführt hat, war so schön!" Was machst du mit dieser Bemerkung?

Ich erzähle sie natürlich Mrs. Jones!

Was, wenn die Eltern lügen? Und was, wenn das Spiel wirklich schlecht war?

Warum sollte jemand über so etwas lügen? Und auch wenn das Spiel meiner Meinung nach nicht gut gewesen wäre, möchte ich, dass der Lehrer hört, dass ein anderer positiv beeindruckt war.

Gut. Am nächsten Tag kommt jemand und sagt,"Mein Kind ist in der fünften Klasse bei Mr. Smith und hat noch kein bisschen Grammatik gelernt." Was machst du mit dieser Bemerkung?

... ich ... ich nehme an, . ich würde sie eine Zeitlang für mich behalten...

Warum?

Nun, zuerst möchte ich feststellen, ob es wirklich zutrifft, und dann ...

Und dann?

Ich möchte nicht der Überbringer einer unangenehmen Nachricht sein!

Also, du übermittelst gerne die positiven Bemerkungen, auch wenn sie nur leeres Schmeicheln sind, aber du vermeidest es, eine negative Bemerkung zu übermitteln, auch wenn sie zutreffen sollte, und auch wenn die Qualität der Pädagogik für eine ganze Klasse betroffen ist!

Das ist eine ziemlich starke Formulierung!

Es tut mir leid. Ich habe wahrscheinlich zu oft gesehen, wie gute Schulen abrutschen in den Zustand der Mittelmäßigkeit, wie schlechte Gewohnheiten und faule Lehrer sich einnisten. Es ist auch nicht, weil das Kollegium von den Problemen nichts weiß. Wenn ich manche Schulen besuche, da sind die jüngeren Kollegen nur allzu bereit, die Mängel, die sie bei älteren Lehrern beobachten, mir mitzuteilen! Sie sind nur alle zurückhaltend, den Betroffenen die Kritik persönlich zu übermitteln.

Wenn Eltern etwas Negatives über einen Kollegen sagen, falle nicht darauf herein und denke, "Oh, der Meckerfritze hat immer etwas auszusetzen!" Wie Goethe sagte, auch der, der ungezielt die Mauer beklopft, wird, wenn er lang genug dabei bleibt, ab und zu einen Nagel auf den Kopf treffen! Statt dessen, mach` Folgendes: Sag' den Eltern, dass du gerne bereit, bist die Bemerkung deinem Kollegen mitzuteilen, und dass du ihm vorschlagen wirst, mit den Eltern Kontakt aufzunehmen. Wenn sie möchten, dass die Bemerkungen anonym bleiben, sag' einfach, du unterstützt nur offene Diskussionen, und du wirst die Anonymität nicht annehmen. Wenn die Bemerkungen stichhaltig sind, werden sie das akzeptieren: wenn sie nur Dampf ablassen wollten und dann erfahren, dass du dem Lehrer des Kindes alles erzählen willst, dann werden sie dich nie wieder belästigen!

Als nächstes erzähle deinem Kollegen alles und frage, was er unternehmen will. Seine Antwort ist entscheidend! In den meisten Fällen wird er bereit sein, sofort Kontakt aufzunehmen und du solltest auch nach ein paar Tagen fragen, ob dies tatsächlich geschehen ist. In anderen Fällen mag es sein, dass er dir erklären kann, warum die Bemerkungen nicht zutreffen, aber er sollte trotzdem Kontakt aufnehmen. Wenn er nur explodiert und dir die leidvolle Geschichte erzählt von all dem Stress, den diese Menschen ihm verursachen, sag' ihm, dass es vielleicht an der Zeit ist, dass das Kind eine neue Schule sucht. Aber es mag auch sein, dass es an der Zeit ist, dass dein Kollege sich fragt, ob nicht etwas an dieser Kritik zutrifft.

Wenn du diese schlechte Nachricht nicht übermittelst, so lang sie frisch und relativ harmlos ist, fängt sie an zu eitern. Sie wird Teil der dunklen verborgenen Strömung, die durch manche Konferenz fließt, auch wenn alles noch so zuckersüß an der Oberfläche ist. Stück für Stück werden die Maßstäbe tiefer gesetzt, Qualität erodiert und leise nehmen Eltern ihre Kinder aus der Klasse heraus. Erst wenn Jahre vergangen sind, schließen sich all die kleinen, lösbaren Probleme in eine gigantische Krise zusammen, die das Kollegium überwältigt und zur Entlassung des Lehrers führt.

Eine ziemlich düstere Szene, nicht wahr?

Aber das ist nicht alles!

Die Entlassung des Lehrers wird den Eltern mitgeteilt und es findet ein Treffen statt, bei dem die Gründe, die dazu geführt haben, mitgeteilt werden. Und was passiert dann? Die wenigen Eltern, die mit dem Lehrer zufrieden waren, organisieren eine starke, laute Opposition zu der Entscheidung des Kollegiums, so dass man sich wiederholt treffen muss, bis in den Sommer hinein.

Und die Eltern, die sich jahrelang beschwert hatten? Viele sind nicht mehr an der Schule, und die wenigen die noch da sind, bleiben still während dieser Zusammenkünfte. Siehst du, keiner will für die Entlassung eines Waldorflehrers verantwortlich erscheinen!


Was die klare und einfache Behandlung von Beschwerden und Fragen einzelner Eltern seitens des Lehrers hätte sein können, wird das Chaos von lauten Zusammenkünften, wo jedes negative Gefühl jedes Elternteils gegen jeden Lehrer der Schule ausgesprochen wird! Und wer wird der Leidtragende dieses Schlamassels sein? Genau diejenigen, die nicht die "Übermittler der schlechten Nachricht" sein wollten das Kollegium!

Sonntag, 7. Juni 2009

Depressionen bei Kindern

Es war eine der wichtigsten Forderungen von Steiner, dass man im Unterricht alle Weltzusammenhänge von ihrer positiven Seite aus darstellen müsse. Jede Sache hat ja immer mindestens zwei Seiten: Die eine Seite eines Baumes ist von der Sonne beschienen, die andere ist im Schatten.

Z.B. die Lastwagenkollonnen auf den Autobahnen haben den Nachteil, dass sie den Verkehr behindern (die Schattenseite). Und den Vorteil, dass sie den Menschen die Güter bringen, die sie brauchen (die Sonnenseite). Im Unterricht würde man also viel eher mit Begeisterung über den gewaltigen Güterverkehr sprechen, der den Menschen heute fast alle Güter der Welt zugänglich macht.

Der junge Mensch kommt in diese Welt und will sich mit ihr verbinden. Er will nicht von ihr zurückgewiesen werden. Die Persönlichkeit des Lehrers spielt bei diesem Hineinführen und sich Verbinden mit unserer Welt eine wichtige Rolle.

Das Element des "kritischen Bewusstseins", ist etwas, was überhaupt nicht in eine Schule hineingehört. Es schadet der gesunden Entwicklung der Seele des jungen Menschen.
Wenn man diesen Gesichtspunkt vor Lehramtsstudenten äußert, kommt es immer wieder zu heftigen Erregungen, manchmal gar zu Empörung. In den meisten Menschen lebt unendlich viel Kritik an den Lebensverhältnissen, in denen sie selbst leben, von denen sie täglich profitieren und die sie durch ihre Taten täglich bestätigen. In ihrem Kopf kritisieren viele Menschen die Weltzusammenhänge, in ihren Handlungen leben sie in und mit ihnen.

Die Folgen des kritischen Bewusstseins: Depressionen bei Kindern

In der Braunschweiger Zeitung vom 6.Juni 2009 erschien ein Bericht von Susanne Jasper über die Untersuchungen des Dominikanerpaters Fritz Wieghaus bei Schulkindern.
Dieser ging viele Monate in verschiedene Schulen und sprach mit Kindern:
"Als ich meine Aufzeichnungen durchgesehen habe ist mir dieses aufgefallen: Die Kinder gucken ziemlich pessimistisch in die Zukunft. ...Woher kommt diese triste Grundstimmung der Katzenjammerkids?... Vielleicht spüren sie, dass ihre Eltern überfordert und verunsichert sind.. ..Wie aber sollen unsichere Eltern Kinder erziehen, die mit Zuversicht ins Leben gehen? ...

Aber wer sind die Eltern der Depri-Kids? Das sind genau diejenigen, die in den 70er und 80er Jahren den Untergang der Menschheit ständig beschworen und mit den schreckgeweiteten Augen einer Petra Kelly tagtäglich erwartet haben: Atomkrieg, Atomkraftwerke, Atomstaat, Overkill, Umweltverschmutzung, Ozonloch. ...

Kinder sind der Seismograph der Erwachsenen-Gesellschaft. Sie spiegeln etwas wider, was unser Problem ist. Wir Erwachsenen geben unsere Ängste an die Kinder weiter. Das ist nicht in Ordnung. Eigentlich ist es unsere Verpflichtung, nicht alles, was uns belastet, ungefiltert an Kinder weiterzugeben."


Wir selbst müssen uns täglich prüfen, wie wir in die Zukunft blicken. Haben wir ein positives Bild der zukünftigen Welt oder nicht? Steht die Zukunft der Menschheit wie eine leuchtende Sonne vor uns? Wenn nicht, so sollten, so müssen wir schon der Kinder wegen daran arbeiten. Mit einer negativen, pessimistischen Zukunftsvision vor einer Klasse zu stehen, bedeutet eine Kränkung der Kinderseelen.

Kolloquium zur Waldorfschule

Quelle: Seite 12 - Feuilleton Das Goetheanum Nr. 47/ 08

Link:

http://www.freunde-waldorf.de

von Holger Niederhausen

Zukunftsfähigkeit schaffen


Wo steht die Waldorfpädagogik heute, und wie können wir für die Zukunft arbeiten? Mit diesen Fragen beschäftigte sich am 8. November das Kolloquium der Pädagogischen Akademie am Hardenberg Institut in Heidelberg....


...Eine vielleicht noch größere Sorge betraf die Substanz in den Schulen selbst. An vielen Schulen findet anthroposophische Grundlagenarbeit kaum statt und wenn, steht sie oft unverbunden neben dem Organisatorischen. Ein Kollege berichtete, viele Studenten interessierten sich sehr für eine solche Arbeit, fragten sich aber nach den ersten Konferenzen, wo sie denn lebe. Auch die Kinderbesprechung, als ein wesentliches Element der Waldorfpädagogik, wird offenbar in immer weniger Schulen ernsthaft praktiziert.


Dem Schwinden dieser Grundlagen steht ein Anstieg an Schwierigkeiten und Konflikten in der kollegialen Zusammenarbeit gegenüber. Immer mehr Waldorfschulen ziehen Mediatoren und Berater hinzu, um an Problemen im Sozialen zu arbeiten.


Mehrere Lehrer sahen einen Zusammenhang beider Entwicklungen: die anthroposophische Arbeit sei die Grundlage sowohl für die gemeinschaftliche Selbstverwaltung als auch für die Pädagogik. Ohne sie träten auf allen Ebenen vermehrt Probleme auf.


Von Fragen der Dreigliederung oder des Kulturauftrages darf man oftmals gar nicht sprechen, ohne den Unmut der Kollegen auf sich zu ziehen, die darüber klagen, nicht einmal genug Kraft für das Alltägliche zu haben. Doch es ist wichtig, auch nach außen zu wirken, da sonst das Umfeld in kraftraubender Weise auf die Schulen rückwirkt, wie etwa in der Prüfungsfrage.

Kinderbetrachtung und geistige Arbeit

Eine Kollegin erläuterte, warum die Grundlagenarbeit heute notwendiger sei denn je. Was die Kinder ihrem eigenen Wesen nach mitbringen, sei heute aufgrund eines Dickichts an Außeneinflüssen immer schwieriger zu erkennen. Die Jugendlichen wiederum, äußerlich stiller und angepasster als früher, zeigten ein tief beeindruckendes Begegnungsbedürfnis und die Fähigkeit zu einem Tiefgang neuer Qualität. Dem gerecht zu werden, erfordere eine stete innere Schulung des Lehrers.


...Christof Wiechert, Leiter der Pädagogischen Sektion am Goetheanum, betonte ein Gefäß für den Geist müsse auch von ihm gefüllt werden, sonst kämen Gegenwirkungen hinein. Elemente wie Epochen und Nicht Sitzenbleiben ergeben noch keine Waldorfschule und den Geist müsse man in der Kinderbetrachtung wecken .Nun ging Wiechert auf die Übergänge zwischen wachend bildhaftem Erkennen träumend inspiriertem Fühlen und schlafend intuitivem Wollen, wie sie im sechsten Vortrag der von Rudolf Steiner beschrieben werden, ein. Darin weist dieser auf die Notwendigkeit der Entwicklung eines hin, die Fähigkeit im richtigen Moment intuitiv das Richtige zu tun. jeder Lehrer kennt aber die Schwellenerlebnisse der Ohnmacht, die Augenblicke, in denen es nicht gelingt. Aus Angst vor der Schwelle flüchte man sich dann allzu oft in Strukturen - der Eintrag ins Klassenbuch ist dafür ein Beispiel.


Ein Kollege beschrieb aus eigener Erfahrung, wie wesentlich das Bildhafte sei. Wenn es etwa in Chemie um Feuer und Kalk geht, sei es eine Herausforderung, die Kräfte und das Wesen der Prozesse bis in die Geste hineinzubekommen. Dann aber sei der Unterricht nicht intellektuell. Und es ist gar nicht zu überschätzen, wie stark Kinder mit dem mitleben, was die Lehrer im Seelisch Geistigen selbst realisieren.

Es braucht eine Renaissance

Die Waldorfpädagogik bedarf einer steten, geistigen Arbeit und Ich Tätigkeit des Einzelnen, die das Moralisch Geistige immer wieder neu hervorbringen. Was nach Rezept verwirklicht wird, trägt nicht mehr.


Was aber kann man nun in seiner Schule aktiv tun, wenn die anthroposophische Grundlagenarbeit nicht im ganzen Kollegium gleich neu ergriffen wird? Man kann selbst anfangen und sich mit Kollegen zusammentun, die dasselbe Anliegen haben. Eine solche innere Arbeit von drei, vier Menschen hat in jedem Fall ihre Wirkung und zieht auch andere Kollegen an. ...


Christof Wiechert wies auch auf die Problematik des heutigen Freiheitsbegriffes hin. Im Denken ist eine ungeheure Individualisierung der Vorstellungen eingetreten, während im (gerade pädagogischen) Handeln oft große Konformität eintritt: „In der Waldorfschule macht man das so!“ Vom Geiste aus gesehen, müsse es jedoch genau umgekehrt sein: Im Denken wahrhaftig, im Handeln individuell. So erschafft jeder die Waldorfpädagogik täglich neu. ...

Den ganzen Artikel finden Sie auch unter:

http://www.holger-niederhausen.de/

Samstag, 6. Juni 2009

Fremdkörper in den Waldorfschulen

RECHENSCHAFTSBERICHT UND ENTLASTUNG

Inzwischen kann man es auch an Waldorfschulen erleben, dass es im Kollegium "Rechenschaftsberichte" gibt. Bisher war das nur in Mitgliederversammlungen von Vereinen üblich, weil eben die Mitglieder häufig nur wenig oder selten Kontakt mit Vorstand und Geschäftsführung haben.

Immer häufiger überträgt man Elemente aus anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in unsere Einrichtungen des freien Geisteslebens. Diese Entwicklung geht einher mit den immer mehr werdenden "Beratern", die von Schule zu Schule ziehen, ohne dass sie am Geist und Leben dieser Gemeinschaften verantwortlich beteiligt sind.


Wenn nun schon in Lehrerkollegien untereinander Rechenschaftsberichte abgegeben werden, dann wird damit demonstriert, dass man das Niveau eines Vereins erreicht hat.
Da wo Menschen in wirklichen Lebensbeziehungen stehen, wo sie sich fast täglich begegnen, wo Vertrauen herrscht, da wird man keine Rechenschaftsberichte brauchen.

Wenn man dann einmal so einen Vorgang eines Rechenschaftsberichtes erlebt hat, dann spürte man die ganze Formalisierung, die nun eingezogen ist. Alles tendiert zu Äußerlichkeit, die wirklich dringenden Lebensprobleme kommen gar nicht zur Sprache. Die werden dann wieder anderswo besprochen, wo das Kollegium nicht anwesend ist.

Die Krönung des Ganzen ist dann die sogenannte "Entlastung". Menschen, die täglich mit den anderen zusammen sind, erwarten nun in einer formalen Abstimmung im Kollegium die Bestätigung ihrer Arbeit im Allgemeinen.

Hätte man in dieser Zeit auch nur ein wirklich dringendes Schulproblem sinnvoll besprochen, wäre die ganze Schulgemeinschaft weitergekommen.

Wenn nicht die Geisteswissenschaft ihren nötigen Stellenwert in den Herzen der Lehrerschaft bekommt, dann werden diese Dinge sich immer weiter fortsetzen und ausbreiten. Die Arbeit in den Schulen wird immer übermäßiger und irgendwann kaum mehr zu bewältigen sein.

Wir brauchen selbstgeschaffene Sozialformen, die dem Charakter unserer Gemeinschaften entsprechen und, die dem Zeitalter der Bewusstseinsseele angemessen sind. Wir können nicht an allen Ecken und Enden die Vorbilder anderer einfach übernehmen.

Geistesgegenwart in der alltäglichen kollegialen Arbeit wird es so nicht geben. Und der lebendige Quell, aus dem die Ideen auch für das Zusammenwirken der Lehrer sich ergießen, wird weiterhin versiegt bleiben, und wo doch etwas Neues auftritt, wird man es nicht erkennen können.

Man wird dann weiter klagen über mangelnde Transparenz und mangelnden Informationsfluss, obwohl man doch alles tut, um dem entgegenzusteuern. Aber man nährt nur einen unersättlichen Drachen, der immer neue Opfer fordert - neue Einrichtungen, neue Ämter und .. und ...

Die Kollegen werden andererseits nach mehr Gemeinschafterlebnissen rufen, nach Geselligkeit, Festen und Feiern. Und sie werden nie zufrieden sein können, wenn sie nicht den geistigen Weg beschreiten wollen.

Rechenschaftsberichte, Qualitätssicherung und was man noch so alles inzwischen eingeführt hat oder einführen wird, es ist dem Wesen der Waldorfpädagogik fremd, bei der alles aus dem Menschen für und mit dem Menschen gestaltet sein will.

Wir bekommen "Fremdkörper" in unseren Organismus. Fremdkörper kann man einkapseln, damit sie unschädlich werden. Sie können auch Entzündungen hervorrufen, wenn der Organismus sie bemerkt. Wenn er sie nicht rechtzeitig bemerkt oder zu schwach ist, dann führt es zu Immunschwäche.

Freitag, 5. Juni 2009

Waldorflehrer werden oder sein

Dieser Beruf braucht ein geistiges Fundament


Eine äußerst unbequeme Erfahrung ist die, dass man im Laufe der Jahre feststellen muss, dass man den Waldorflehrerberuf nur für längere Zeit gut und sinnvoll ausüben kann, wenn man ein ausreichendes geistiges, religiöses oder spirituelles Fundament besitzt.

Wer nicht daran arbeitet, wird es sich, der Schule, den Eltern und Kindern schwer machen. Die Folge ist unnötiges Leid auf allen Seiten. Man mag sich durch irgendwelche anderen Aktivitäten, Fähigkeiten oder Initiativen eine gewisse Stellung in der Schule verschaffen. Aber für die Entwicklung der Waldorfschulen und der Waldorfpädagogik tritt durch solche Menschen eine Hemmung auf.

Selbst Menschen mit nicht so herausragenden pädagogischen Fähigkeiten, aber einem sicheren Fundament, haben ihren guten Platz in einer Waldorfschule.

Man kann das bei Einstellungen nicht vorab prüfen. Bei jeder Neueinstellung wird man davon ausgehen müssen, dass der Mensch einen positiven Lebens-Entwicklungsweg gehen wird. Dass er sich mehr und mehr in die Menschenkunde einarbeiten wird und schließlich auch eine gute Beziehung zu den geisteswissenschaftlich- anthroposophischen Hintergründen finden wird.

Auch die Lehrerseminare sind in der gleichen Lage: Man baut auf Entwicklungen, nicht nur auf Voraussetzungen.

Man will den Menschen, die vielleicht noch keine Ahnung von Menschenkunde und Anthroposophie haben, wohl nicht sagen, dass sie in ihrem Beruf nur das Ziel erreichen werden, wenn sie sich mit Anthroposophie dauerhaft und gründlich beschäftigen werden.

Ist das ein Tabu?

Oder kann oder muss man es doch?

Donnerstag, 4. Juni 2009

Einschulungsfeier erste Klasse

Märchen erzählen

In Ergänzung des Eintrags über den "ersten Schultag" soll hier noch kurz auf die Einschulungsfeier für die neuen ersten Klassen eingegangen werden. Eine Tradition in vielen Schulen ist es, dass der neue Klassenlehrer seinen Kindern noch im Saal ein Märchen erzählt oder beginnt ein Märchen zu erzählen, um es dann in der Klasse zu Ende zu führen.

Die Frage ist, in wie weit das sinnvoll ist. Abgesehen davon, dass das restliche Publikum gewöhnlich meistens nicht viel davon versteht und demzufolge immer unruhiger wird. Aber wäre es nicht besser, wenn ein Märchen in einem viel intimeren Rahmen erzählt würde?
Diese Geschichte für die Erstklässler lässt sich wohl auch auf die Worte zur Einschulung, die Rudolf Steiner den Lehrern vorgeschlagen hatte, zurückführen.

In diesem Moment der sehr feierlich und würdig zu haltenden Einschulungsfeier erwarten Kinder und Eltern vom neuen Lehrer gewichtige Worte zu dem, was nun bevorsteht. Es ist einer der größten Momente im Leben eines Kindes und auch einer Familie. Es ist eine der größten Chancen für die Waldorfschule und die Klasenlehrer etwas von den erzieherischen Anliegen aufzugreifen und zu übermitteln.

Ist es wirklich die richtige Antwort auf all die unbewussten Fragen in den Eltern und Schülerherzen, in diesem Moment ein Märchen zu erzählen? Märchen kennen die Kinder auch schon aus dem Kindergarten oder von zu Hause. Es ist eigentlich nicht das, was sie an diesem Tag, der der Startschuss für einen neuen Lebensabschnitt bedeutet, erwarten.

In einer oberen Schicht des Bewusstseins wird man sich freuen, dass dem Kind ein Märchen geschenkt wird, weil man es auch für kindgemäß hält.

In einer tieferen Schicht des Bewusstseins nährt man die leider immer wieder in den Eltern nagende Sorge, ob die Kinder so richtig auf das Leben vorbereitet werden. Das wühlt mehr in den Tiefen und kommt dann an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten hervor.
Die Eltern suchen immerzu nach Antworten auf die tiefen Fragen. Es ist gut, alle Momente zu nutzen, dem entgegenzukommen.

Mittwoch, 3. Juni 2009

Erziehung aus tieferer Erkenntnis

In "Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten" -Bedingungen zur Geheimschulung - findet man folgenden Hinweis:

"...Bin ich Erzieher und mein Zögling entspricht nicht dem, was ich wünsche, so soll ich mein Gefühl zunächst nicht gegen den Zögling richten, sondern gegen mich selbst. Ich soll mich so weit als eins mit meinem Zögling fühlen, dass ich mich frage:"Ist das, was beim Zögling nicht genügt, nicht die Folge meiner eigenen Tat?" Statt mein Gefühl gegen ihm zu richten, werde ich dann vielmehr darüber nachdenken, wie ich mich selbst verhalten soll, damit in Zukunft der Zögling meinen Forderungen besser entsprechen könne. Aus solcher Gesinnungart heraus ändert sich allmählich die ganze Denkungsart des Menschen, Das gilt für das Kleinste wie für das Größte..."

Was wäre das für eine Freude, wenn man sich darüber in einem Lehrerkollegium austauschen könnte, wenn dann sich Kollegen sogar darum bemühen würden und man dann einmal eine Klassenkonferenz oder Kinderbesprechung aus dieser Gesinnung heraus gestalten könnte.

Dienstag, 2. Juni 2009

Psychologisierende Urteile bei pädagogischen Besprechungen

Heute möcht ich gern auf ein Problem aufmerksam machen , das wir noch gar nicht annähernd erkannt und bearbeitet haben.

Bei einer Klassenbesprechung kürzlich in einer Lehrerkonferenz wurde etwas deutlich, was sich durch fast alle Kinderbesprechungen zieht:
die psychologisierende Beurteilung.

Beispiel: Ein Junge macht dies oder jenes, weil er Anführer sein will...
Fast in jeder Kinderbesprechung findet man solche Aussagen: Er oder sie macht das, weil.... zu Hause das und das ist..., weil er so und so ist.. .


Diese Aussagen wirken, als ob man bereits den Schlüssel für ein Problem gefunden habe. Es hat für alle Zuhörer auch etwas Bestechendes und Erleichterndes, wenn einer solche Schlüsse ziehen kann. Es wirkt wie eine Erkenntnis. Zugleich kann man erleben, dass mit einer solchen Aussage immer etwas schon beendet ist. Man wird als Zuhörender gar nicht angeregt, weiter in eine Kinderseele einzutauchen und sie als ein Rätsel zu empfinden.

Im Grunde haben wir bei psychologischen Rückschlüssen das absolute Gegenteil einer menschenkundlichen Betrachtung vor uns. Die menschenkundliche Betrachtung schildert nur die Phänomene. Wobei unser Blick eben durch unsere menschenkundliche Vorbildung erweitert und vertieft wird. Wir können dadurch bildhafte Bezüge zu vielen unterschiedlichen Ebenen des Menschenwesens herstellen.

Durch die psychologisierende Beurteilung verhindern wir, tiefer in das Wesen eines Menschen einzutauchen. Immer bliebe ja dennoch die Frage offen, warum will einer Anführer sein? Und wenn man dieses wieder auf so einen einfachen Nenner bringen will, so hört man z.B. oft Worte, wie: Sein Vater ist auch so...- Dennoch bliebe die nächste Frage offen: Warum wählte er diese karmische Verbindung?

Niemals kommt man so dem Wesen näher. Man wird förmlich vom Wesen weggeführt, nicht zu ihm hin.
Es geht auch nicht darum, dass einer andere oder bessere kausale Schlussfolgerungen zieht.

Also das Problem liegt überhaupt in der Verknüpfung durch das „Weil“, durch die kausale Verbindung der Phänomene.
Schon durch das Weglassen dieses „Weils“ und das offenlassende Nebeneinanderstellen der Phänomene ergibt sich eine andere Erkenntnisstimmung, die viel weiter führt.

Traditioneller Chinesischer Spiritgarten Chengdue Waldorfschule


Weitere wunderschöne Bilder hier:
Link: http://project-blog.sacred-landscapes.com/2009/05/28/traditioneller-chinesischer-spiritgarten_chengdue-waldorfschule-marz-2009/