Dienstag, 2. Juni 2009

Psychologisierende Urteile bei pädagogischen Besprechungen

Heute möcht ich gern auf ein Problem aufmerksam machen , das wir noch gar nicht annähernd erkannt und bearbeitet haben.

Bei einer Klassenbesprechung kürzlich in einer Lehrerkonferenz wurde etwas deutlich, was sich durch fast alle Kinderbesprechungen zieht:
die psychologisierende Beurteilung.

Beispiel: Ein Junge macht dies oder jenes, weil er Anführer sein will...
Fast in jeder Kinderbesprechung findet man solche Aussagen: Er oder sie macht das, weil.... zu Hause das und das ist..., weil er so und so ist.. .


Diese Aussagen wirken, als ob man bereits den Schlüssel für ein Problem gefunden habe. Es hat für alle Zuhörer auch etwas Bestechendes und Erleichterndes, wenn einer solche Schlüsse ziehen kann. Es wirkt wie eine Erkenntnis. Zugleich kann man erleben, dass mit einer solchen Aussage immer etwas schon beendet ist. Man wird als Zuhörender gar nicht angeregt, weiter in eine Kinderseele einzutauchen und sie als ein Rätsel zu empfinden.

Im Grunde haben wir bei psychologischen Rückschlüssen das absolute Gegenteil einer menschenkundlichen Betrachtung vor uns. Die menschenkundliche Betrachtung schildert nur die Phänomene. Wobei unser Blick eben durch unsere menschenkundliche Vorbildung erweitert und vertieft wird. Wir können dadurch bildhafte Bezüge zu vielen unterschiedlichen Ebenen des Menschenwesens herstellen.

Durch die psychologisierende Beurteilung verhindern wir, tiefer in das Wesen eines Menschen einzutauchen. Immer bliebe ja dennoch die Frage offen, warum will einer Anführer sein? Und wenn man dieses wieder auf so einen einfachen Nenner bringen will, so hört man z.B. oft Worte, wie: Sein Vater ist auch so...- Dennoch bliebe die nächste Frage offen: Warum wählte er diese karmische Verbindung?

Niemals kommt man so dem Wesen näher. Man wird förmlich vom Wesen weggeführt, nicht zu ihm hin.
Es geht auch nicht darum, dass einer andere oder bessere kausale Schlussfolgerungen zieht.

Also das Problem liegt überhaupt in der Verknüpfung durch das „Weil“, durch die kausale Verbindung der Phänomene.
Schon durch das Weglassen dieses „Weils“ und das offenlassende Nebeneinanderstellen der Phänomene ergibt sich eine andere Erkenntnisstimmung, die viel weiter führt.