Mittwoch, 17. Juni 2009

Ansprachen halten

Ein großes Thema an allen Bereichen verantwortlicher Tätigkeit ist das Halten von Ansprachen.

In irgendeiner Form kommt jeder immer wieder in die Lage, eine größere oder kleinere Ansprache halten zu sollen oder zu müssen. Da diese Aufgabe nur von wenigen sehr gern wahrgenommen wird, und die anderen froh sind, wenn es jemand macht, ist es auch schwierig, konstruktive Gespräche über dieses Thema zu führen.

Würde man hinterher etwas zum Stil einer Ansprache sagen, so würde dies schnell als Unfreundlichkeit aufgefasst. So bleibt man lieber bei seinem gewohnten Stil , als dass man das "Redenhalten" als ein gemeinschaftliches Lernfeld betrachtet.
Den Rednerkurs Steiners haben die wenigsten gearbeitet; andere Rednerkurse wohl auch nicht.

Einige Dinge fallen immer wieder auf:

Der Redner beginnt damit, dass er sich z.B. über ein zahlreich erschienenes Publikum freut, oder was häufiger ist, über ein weniger zahlreiches Publikum nicht freut. Er spricht seine Empfindungen und Gedanken dazu laut aus.

Das ist schon einmal etwas, was das Publikum überhaupt nicht interessiert, sondern nur den Redner. Der Zuhörer kommt, um etwas über die angeküdigte Sache zu hören, und nicht etwas anderes. Besonders enttäuschend sind solche Worte, gerade weil sie am Anfang stehen, wo man sich doch wünscht gleich deutlich in das Thema hineingeführt zu werden.

In vielen Ansprachen geht es zu wie bei manchen Lehrern in der Klasse:

Der erste Schultag nach den Ferien. Man nimmt ihn "ganz locker" und lässt die Kinder gemütlich aus den Ferien plaudern. Damit beginnt das Schuljahr für die Kinder schon mit der allergrößten Enttäuschung, was das Lernen angeht.

Die Kinder gehen zur Schule und die Zuhörer gehen in eine Veranstaltung, weil sie etwas davon haben wollen. Dem Aufwand muss sofort ein ersichtlicher Ertrag entsprechen. Der erste Schultag ist der wichtigste. So auch der Anfang einer Ansprache.

Viele Redner steigern das Problem z.B. noch dadurch, dass sie lauthals darüber reflektieren, warum sie das Thema ausgewählt haben oder wie sie bei der Vorbereitung vorgegangen seien.

Ganz und gar unglücklich wird der Zuhörer, wenn der Redner gar noch so Dinge wie: Er habe z.B. nicht genügend Zeit gehabt sich vorzubereiten, äußert. Manchmal hört man auch gleich zu Anfang, dass das Thema viel zu groß und umfassend sei, um es an einem Abend zu behandeln.

Bei allen diesen Dingen entsteht ein schales Gefühl beim Zuhörer: Warum hält er dann überhaupt einen Vortrag? Dann sollte er es lieber lassen! Wenn das Thema zu umfangreich ist, dann muss man eben eine Vortragsreihe halten oder die Sache so bearbeiten, dass man an einem Abend etwas Wesentliches lernt. Und dann ist es eben nicht mehr zu umfangreich.


Alle diese Selbstreflektionen interessieren den Zuhörer überhaupt nicht, sie enttäuschen ihn nur.
Der Zuhörer kommt, um über das angekündigte Thema etwas zu hören.


Die Kolleginnen und Kollegen


Bei Ansprachen vor Schülern hört man Lehrer immer wieder davon erzählen, was die "Kollegen und Kolleginnen" oder gar das "Kollegium" alles so meinten oder täten. Man versetze sich einmal in einen Schüler und überlege, was er wohl mit dem Begriff "Kollege" verbindet? Nichts! Für ihn gibt es nur Lehrerinnen und Lehrer. "Kollegen" sind für ihn die Mitschüler.