Samstag, 6. Juni 2009

Fremdkörper in den Waldorfschulen

RECHENSCHAFTSBERICHT UND ENTLASTUNG

Inzwischen kann man es auch an Waldorfschulen erleben, dass es im Kollegium "Rechenschaftsberichte" gibt. Bisher war das nur in Mitgliederversammlungen von Vereinen üblich, weil eben die Mitglieder häufig nur wenig oder selten Kontakt mit Vorstand und Geschäftsführung haben.

Immer häufiger überträgt man Elemente aus anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in unsere Einrichtungen des freien Geisteslebens. Diese Entwicklung geht einher mit den immer mehr werdenden "Beratern", die von Schule zu Schule ziehen, ohne dass sie am Geist und Leben dieser Gemeinschaften verantwortlich beteiligt sind.


Wenn nun schon in Lehrerkollegien untereinander Rechenschaftsberichte abgegeben werden, dann wird damit demonstriert, dass man das Niveau eines Vereins erreicht hat.
Da wo Menschen in wirklichen Lebensbeziehungen stehen, wo sie sich fast täglich begegnen, wo Vertrauen herrscht, da wird man keine Rechenschaftsberichte brauchen.

Wenn man dann einmal so einen Vorgang eines Rechenschaftsberichtes erlebt hat, dann spürte man die ganze Formalisierung, die nun eingezogen ist. Alles tendiert zu Äußerlichkeit, die wirklich dringenden Lebensprobleme kommen gar nicht zur Sprache. Die werden dann wieder anderswo besprochen, wo das Kollegium nicht anwesend ist.

Die Krönung des Ganzen ist dann die sogenannte "Entlastung". Menschen, die täglich mit den anderen zusammen sind, erwarten nun in einer formalen Abstimmung im Kollegium die Bestätigung ihrer Arbeit im Allgemeinen.

Hätte man in dieser Zeit auch nur ein wirklich dringendes Schulproblem sinnvoll besprochen, wäre die ganze Schulgemeinschaft weitergekommen.

Wenn nicht die Geisteswissenschaft ihren nötigen Stellenwert in den Herzen der Lehrerschaft bekommt, dann werden diese Dinge sich immer weiter fortsetzen und ausbreiten. Die Arbeit in den Schulen wird immer übermäßiger und irgendwann kaum mehr zu bewältigen sein.

Wir brauchen selbstgeschaffene Sozialformen, die dem Charakter unserer Gemeinschaften entsprechen und, die dem Zeitalter der Bewusstseinsseele angemessen sind. Wir können nicht an allen Ecken und Enden die Vorbilder anderer einfach übernehmen.

Geistesgegenwart in der alltäglichen kollegialen Arbeit wird es so nicht geben. Und der lebendige Quell, aus dem die Ideen auch für das Zusammenwirken der Lehrer sich ergießen, wird weiterhin versiegt bleiben, und wo doch etwas Neues auftritt, wird man es nicht erkennen können.

Man wird dann weiter klagen über mangelnde Transparenz und mangelnden Informationsfluss, obwohl man doch alles tut, um dem entgegenzusteuern. Aber man nährt nur einen unersättlichen Drachen, der immer neue Opfer fordert - neue Einrichtungen, neue Ämter und .. und ...

Die Kollegen werden andererseits nach mehr Gemeinschafterlebnissen rufen, nach Geselligkeit, Festen und Feiern. Und sie werden nie zufrieden sein können, wenn sie nicht den geistigen Weg beschreiten wollen.

Rechenschaftsberichte, Qualitätssicherung und was man noch so alles inzwischen eingeführt hat oder einführen wird, es ist dem Wesen der Waldorfpädagogik fremd, bei der alles aus dem Menschen für und mit dem Menschen gestaltet sein will.

Wir bekommen "Fremdkörper" in unseren Organismus. Fremdkörper kann man einkapseln, damit sie unschädlich werden. Sie können auch Entzündungen hervorrufen, wenn der Organismus sie bemerkt. Wenn er sie nicht rechtzeitig bemerkt oder zu schwach ist, dann führt es zu Immunschwäche.