Rudolf Steiner wies schon bei der Begründung der Waldorfschulen auf die Bedeutung des gemeinsamen Unterrichtes von Jungen und Mädchen hin. Damals war ja die Koedukation in den öffentlichen Schulen noch nicht üblich. Ihre Wirkung beschreibt er einmal folgendermaßen:
„Man kann da (in den Lehrerkonferenzen) tatsächlich ungeheuer viel lernen. Wir haben in der Waldorfschule gemischte Klassen, Mädchen und Knaben nebeneinander. Nun, ganz abgesehen von dem, was sich die Knaben und Mädchen sagen oder was sie mit ihrem Bewusstsein miteinander austauschen, kann man einen deutlichen Unterschied bemerken zwischen Klassen, in denen mehr Mädchen als Knaben sind, und Klassen, in denen mehr Knaben als Mädchen sind oder in denen Knaben und Mädchen gleich verteilt sind. jahrelang bin ich dem nachgegangen, und immer hat es sich gezeigt: Es ist etwas ganz anderes, eine Klasse, wo mehr Mädchen als Knaben sind.
In einer Klasse, wo mehr Mädchen als Knaben sind, findet man sehr bald, daß man selber als Lehrer verhältnismäßig weniger müde wird, weil die Mädchen leichter auffassen, aber auch mit einem größeren Eifer auffassen als die Knaben. Aber man findet auch zahlreiche andere Unterschiede. Vor allen Dingen findet man sehr bald heraus, dass die Knaben selber in der Leichtigkeit ihrer Auffassung gewinnen, wenn sie in der Minderzahl sind, während die Mädchen verlieren, wenn sie selbst in der Minderzahl sind Und so sind zahlreiche Unterschiede da, die nicht durch das Mitteilen, nicht durch das gegenseitige Behandeln bestehen, sondern die im Imponderablen bleiben, Imponderabilien sind.
(Aus: Rudolf Steiner, Die Kunst des Erziehens , GA 311, S. 122)
"Mädchen - Mehrheit im Klassenzimmer
In den letzten Jahren ist die Koedukation, der gemeinsame Unterricht von Jungen und Mädchen, immer wieder in die Diskussion gekommen. Manche wollten sie ganz oder teilweise abschaffen, um den Mädchen ein besseres Lernen in den Naturwissenschaften zu ermöglichen. Andere sahen die Jungen als Bildungsverlierer und wollten eine gezielte Förderung von Jungen eventuell in einem speziellen Jungen Unterricht oder einer Jungenschule. Und wieder andere waren aus religiös kulturellen Gründen ohnehin gegen Koedukation.
Jetzt hat ein israelisches Forscherteam die Wirkung von Mädchen auf die Schulleistung aller Schüler im Klassenzimmer untersucht. Das überraschende Ergebnis ihrer unveröffentlichten Studie: Mädchen im Klassenzimmer sind gut für den Schulerfolg aller. Am besten ist sogar, wenn Mädchen die Mehrheit in der Klasse bilden. Eine Mädchen-Mehrheit von 55 Prozent führt insgesamt zu besseren Schulleistungen der ganzen Klasse und zu weniger Gewalt im Klassenzimmer, wie Analia Schlosser und ihr Kollege Victor Lavy bei ihrer Untersuchung von Schulklassen in der Grundschule, der Mittel und Oberstufe feststellten."
Quelle:Erziehungskunst 6/2008