Donnerstag, 20. August 2009

Geschichten zum ersten Schultag


Eine Tradition



Die Gewohnheit, dass alle Klassenlehrer/innen und Klassenbetreuer/innen bei uns am ersten Schultag eine Ansprache an ihre Klasse halten, geht auf folgendes Gespräch Rudolf Steiners mit der ersten Waldorflehrerschaft zurück:

„Konferenz vom Freitag 17. Juni 1921, 20 Uhr“ (GA 300/2, S. 36 f)

„...Über die Schuleröffnungsfeier am kommenden Samstag.

Dr. Steiner: Ich kann zuerst sprechen, dann alle Lehrer. Ich denke mir, wir machen es mit den Klassenlehrern jeder Klasse und mit Vertretern der Fachgruppen, der Reihe nach, von oben nach unten. Es kann von oben herunter gemacht werden, dass es bei der 10. anfängt. Auch die Fachlehrer sollen reden. 10., 9., 8., Fachlehrer für Eurythmie, Musik Sprachen, Handarbeitsunterricht,Handfertigkeitsunterricht. ...

Jemand bittet um eine Anregung, in welcher Weise gesprochen werden soll.

Dr. Steiner: Sie werden sich doch am Beginn des Schuljahrs voller Inspiration von Zielen und Absichten mit der Klasse befinden. Ich glaube, dass man da eher eine Anregung gibt, was Sie weglassen könnten. Jeder hat seine Absichten und seine Ziele im Sinn. Es wäre verletzend, zuzumuten, dass er sich anhören sollte, was er sagen soll. Es tut einem leid, dass nicht Originaleurythmie gemacht werden kann. Es wäre schön, wenn es gemacht werden könnte. Die Feier muss sehr würdig sein. Es ist eine Misere, dass wir das im Stadtgartensaal haben müssen. Das ist sehr bitter, daß wir nicht die Möglichkeit haben, die Feier hier abzuhalten. Wir kriegten nicht einmal die Kinder hinein, auch wenn wir verzichten auf andere Menschen. Die könnten nur stehen. Es sollte etwas beim Schulanfang von der Lehrerschaft gemacht werden. Wir werden die Kinder teilen, 1.- 6., 7. -10., das wird man im nächsten Jahr machen müssen.“


Nun hat sich eine gewisse Tradition entwickelt, dass man überwiegend besonders in den unteren Klassen stattdessen „Geschichten“ erzählt und weniger einen Einblick in den Stoff und die Intentionen des neuen Schuljahres gibt. Darüber wäre für die Zukunft nachzudenken.

Versucht man vor die Klassen nur erzählerisch ein Bild hinzustellen, dann erreicht man die Kinder in ihrem Gemüt (Gemütsseele). Macht man ihnen das Bild bewusst, erklärt man erzählerisch - nicht gedanklich, wofür das Bild steht, verbindet man ganz eng das Bild mit der alltäglichen Wirklichkeit, dann erreicht man das Kind in seiner Bewusstseinsseele.Bildhaft wird eine Äußerung allein schon dadurch, dass man ganz konkret wird:

Immer wenn ihr euere Schultasche morgens an den Haken am Tisch hängt, dann seid ihr bereit für das Lernen an diesem Tag....

Oder:

So wie ich jetzt auf beiden Beinen aufrecht vor euch stehe, so stehe ich jeden Morgen vor euch in der Klasse und bemühe mich, euch im Lernen voranzubringen. Das Stehen ist anstrengend, aber diese Anstrengung weckt in mir eine besondere Kraft. Ihr erhebt euch zur Begrüßung oder zum Rezitieren. Darin spürt dann auch der Lehrer eine besondere Kraft bei euch. Stellt euch vor, wie stark ihr lernen würdet, wenn ihr im Stehen lerntet.....