Donnerstag, 6. März 2008

Jeder Mensch ist musikalisch


Nach den menschenkundlichen Forschungen Rudolf Steiners entsteht Sprache aus dem Musikalischen. Auch diese Aussagen scheinen langsam durch die Hirnforschung bestätigt zu werden:


"Neurowissenschaftler messen, wie das menschliche Gehirn Musik verarbeitet"

"Auch vermeintlich unmusikalische Menschen sind musikalisch höchst sensibel. Neurowissenschaftler untersuchen am Leipziger Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung, wie das Gehirn Musik verarbeitet. Sie fanden heraus, dass offenbar jeder Mensch ein musikalisches Grundverständnis im Gehirn besitzt und Musik und Sprache ähnlich verarbeitet (Journal of Cognitive Neuroscience 12, 3, 2000). Die Ergebnisse könnten medizinisch genutzt werden bei Untersuchungen von Koma-Patienten oder zur Therapie von Sprachstörungen.

Jeder Mensch verfügt offenbar über ein musikalisches Wissen, das sein Gehirn automatisch anwendet, ob er es will oder nicht. Sogar bei Menschen, die sich für völlig unmusikalisch halten oder die noch nie ein Instrument gespielt haben, funktioniert das. Sollte es tatsächlich möglich sein, dass im Gehirn eines jeden Menschen ein musikalisches Grundverständnis angelegt ist? Kann das menschliche Gehirn bereits von Geburt an Harmonien erkennen?

Stefan Kölsch, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für neuropsychologische Forschung in Leipzig, ist sich dessen nach seinen bisherigen Experimenten absolut sicher. Er untersucht mit elektrophysiologischen Messungen, wie das Gehirn Musik verarbeitet. In seinen aktuellen Forschungsarbeiten hat er etwa 200 Versuchspersonen Akkorde von Bach bis Beethoven vorgespielt, die von einem Computer erzeugt wurden und immer gleich lang und gleich laut waren. Diese Dur- und Mollklänge, die oft in der klassischen Musik vorkommen, hat Kölsch zu Sequenzen von jeweils fünf Akkorden zusammengefasst und mit Akkorden versetzt, die von einer anderen Tonart stammen. Um die Gehirnaktivität untersuchen zu können, stülpte er jeder Versuchsperson eine Art High-Tech-Badekappe über, an der bis zu 64 Messselektroden angebracht sind. Auf diese Weise machte er die Vorgänge im Gehirn "sichtbar", da aktive Nervenzellen elektrische Potentiale erzeugen.

Das Gehirn ist ein komplexer Organismus, in dem sich auf jedem Kubikmillimeter etwa 40 000 Nervenzellen drängen. Mit bis zu 20 000 anderen Zellen kann sich jede dieser hoch spezialisierten Zellen verschalten und in einer Sekunde bis zu 50 elektrische Impulse aussenden. Da sich das Gehirn ständig mit vielen Dingen gleichzeitig beschäftigt, erzeugt die permanente Aktivität der Nerven ein elektrisches Dauerfeuer, das bei den Messreihen ein "Störrauschen" verursacht und herausgefiltert werden musste. Kölsch wies nach, dass alle Versuchspersonen, auch die musikalisch nicht begabten, musikalisch höchst sensibel sind und falsche Akkorde eindeutig erkennen. Die falschen, fremden Akkorde werden im Gehirn bereits nach 180 Millisekunden anders verarbeitet als die richtigen Musiksequenzen. Der Leipziger Wissenschaftler vermutet daher, dass "jeder Mensch unserer Kultur, also auch der vermeintlich unmusikalische, eine Repräsentation des Dur-Moll-tonalen Systems im Kopf hat".

Das Gehirn reagiert jedoch nicht nur auf musikalische, sondern auch auf sprachliche Fehler. Bei Sätzen wie "Die Gans wurde im gefüttert" oder "Tom aß Bratwurst mit Honig" wies Kölsch ähnliche Gehirnaktivitäten nach wie bei den falschen Tönen. Wahrscheinlich verarbeitet das Gehirn also Musik ebenso wie Sprache. Stefan Kölsch zeigte in weiteren Untersuchungen, dass das Sprachnetzwerk im Gehirn auch durch Musik angeregt werden kann. Bisher vermuteten die meisten Experten, dass nur Wörter das Sprachzentrum im Gehirn aktivieren.

Die Ergebnisse könnten auch für die Medizin nützlich sein, um zum Beispiel bei Koma-Patienten zu untersuchen, welche Gehirnfunktionen noch aktiv sind. Auch das Sprachnetzwerk von Kindern, die Störungen in der Sprachentwicklung haben, ließe sich möglicherweise durch ein spezielles Design von Musikstücken trainieren. Hirnforscher Kölsch ist überzeugt, dass die Musik ursprünglich ein Kommunikationsmittel war und noch immer ist: "Wir sprechen mit Rhythmen, mit Melodie, mit einem bestimmten Timbre. Das sind alles musikalische Begriffe." Musik sei daher nicht nur etwas für Musiker oder musikalisch Begabte."

Quelle:http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2000/pri48_00.htm