Für die Entwicklung kindlicher Fähigkeiten ist das Bild des „Ausbrütens“ geeignet. Die Glucke oder die Vogelmutter sitzt auf den Eiern, wärmt sie und brütet sie aus. Im Inneren des Eies entwickelt sich dadurch das neue Vögelchen. Nie geht die Vogelmutter her und sagt, dass das Kleine da drinnen jetzt das Federbilden üben müsse. Geheimnisvollerweise geht es auf ganz anderem Weg. Es kommt einem so vor, als wüsste das Ei schon selbst, wie und welches Vögelchen in seinem Inneren sich entwickeln müsste. Nie beeinflusst die Mutter oder die Welt direkt den Vorgang im Innern. Es ist dazwischen sogar eine harte Schale, die vor einer direkten Einflussnahme schützt. Nie drängt und zerrt das Äußere an dem Inneren.
So ist es auch mit unseren Kindern. Die ungeheuere Bedeutung dieses Brütevorgangs wird noch immer – trotz aller wissenschaftlichen Bestätigungen - unterschätzt. Rechen- und Lesefähigkeiten müssen ausgebrütet werden. Das eine Vögelchen schlüpft dann einmal schneller, das andere später. Alles geschieht aber in einem verborgenen Innenraum, in einem Nachtraum, von alleine – wenn die Wärme da ist.
Diese Wärme hat beim Menschenwesen vielfältige Gestalt: Mitleid, Verständnis, In-Ruhe-Lassen, seelische Verbindung, Sich-Kümmern, Da-Sein, Zuwendung, mit Freude bereitete Speisen, das rechte Wort zur rechten Zeit, Licht und Klarheit im Umgang, Vertrauen, dass alles gut wird, Entschiedenheit und Beweglichkeit, Gerechtigkeit.
Sonderbarerweise, lernt das Kind rechnen nicht dadurch, dass es das Rechnen übt – höchstens dadurch, dass es dem Rechnen immer wieder einmal in der Welt begegnet. Es lernt es dann dadurch, dass es in irgendeinem Lebensmoment ein Interesse für diese Sache entwickelt. Das Interesse kann man ihm nicht einreden, es erwacht in seinem tiefsten Innern.
Dann wächst und wächst diese Fähigkeit, wie das Flügelchen des Vögleins im Inneren des Vogeleis.