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Hier gebe ich den Anfang wieder:
"Schule, auch Waldorfschule, steht immer vor der Gefahr, zu sehr „Schule“ zu werden – also zu sehr das, was Schule immer schon war: eine Einrichtung, an der Kinder etwas zu lernen haben, was Erwachsene ihnen beibringen oder nahebringen müssen. Die Gretchenfrage an eine Waldorfschule ist immer wieder: Inwieweit macht sie diesen Gedanken nicht mit, inwieweit kann sie dem ganz anderen Gedanken folgen, der aus obigen Worten Rudolf Steiners hervorgeht – dass das Kind alles wirklich Wesentliche schon mitbringt und dass es nur darum geht, ob sich dieses auch wahrhaft entfalten kann oder nicht...
Manchmal hört(e) man von Waldorfschulen, dass Kinder traurig sind, wenn es Wochenende wird oder die Ferien anfangen – sie wollen lieber weiter in die Schule gehen...! So etwas wäre ein klares Zeichen dafür, dass das Kind die Waldorfschule unbewusst als jenen Ort erlebt, wo es sein wahres Wesen entwickeln können wird. Aber es ist offensichtlich, dass diese Dinge seltener werden, ja fast völlig der Vergangenheit angehören. Wo gibt es noch diese Kinder, die freitags oder zum Schuljahresende traurig werden? In der Regel gehen die Kinder im ersten, vielleicht auch im zweiten Jahr noch gerne zur Schule – nicht nur gerne, sie lieben die Schule, sie sind voller Begeisterung, lernen zu dürfen. Lernen und Mensch werden ist eins, eine begeisternde Perspektive eröffnet sich...
Doch dann kommt der Zusammenbruch – die tragische Erkenntnis beginnt zu dämmern, dass man nicht lernt, um Mensch zu werden, sondern weil man eben muss; weil Schule eben Schule ist; weil der Lehrer am nächsten Tag die Hausaufgabe kontrolliert; weil die Eltern sich argwöhnisch erkundigen, was man denn heute gemacht habe; weil man es später ja zu etwas bringen soll und und und... Es gelingt also nicht, das Erleben zu erhalten, dass Lernen etwas Wunderbares ist, dass Schule eine Mysterienstätte ist, an der sich das Wesen von Menschen entfalten kann, die die Zukunftsimpulse in sich tragen.
Warum gelingt dies nicht? Hier kommen viele Dinge zusammen, die man zunächst stichwortartig benennen kann: Mangelndes Verständnis für das Wesen der Pädagogik; mangelnde Kraft, dieses Verständnis im Alltag aufrecht zu erhalten und danach zu handeln (eine Fähigkeitsfrage), Überlastung, Konflikte im Kollegium, schwierige Außeneinflüsse aller Art..."