Samstag, 10. April 2010

Umwandlung - Umstülpung


In den letzten Jahren gibt es immer wieder neue Ideen, die in den Schulen umgesetzt werden:
Eine solche Idee ist das "bewegte Klassenzimmer". Man fragt sich dabei, was diese Idee mit Waldorfpädagogik zu tun habe. Könnte nicht jedes Schulsystem auf diese Idee kommen und sie umsetzen? Liegt es daran, dass das Waldorfsystem weniger dogmatisch und bürokratisch ist, so dass man dort schneller solche Neuerungen ausprobieren kann?

Steiner sagte einmal, wenn man ernsthafter eine lebendige Pädagogik betreiben würde, dann wäre es nicht mehr so wichtig, auf die Art der Bestuhlung zu achten.

Man richtet bei diesen Aktivitäten immer den Blick nach außen und nicht nach innen. So sagte ein Kollege einmal, der zum ersten Mal in einem bewegten Klassenzimmer hospitierte, dass bei ihm im Unterricht - bei normalen Stühlen und Tischen - viel mehr Aktivität sei.

Waldorfpädagogik beginnt erst da, wo man die erwünschte Lebendigkeit nicht äußerlich betrachtet, sondern innerlich. Wie kann ich jeden Stoff so umwandeln, dass er innerlich die Kinder "von den Stühlen reißt"? Sie können ja dabei auch völlig normal sitzen bleiben. Und zwar nicht durch Sensationelles, sondern dadurch, dass ich ihre Seele und ihren Geist erreiche und belebe. Dass der Unterricht in jedem Moment in ihnen die Gefühle weckt, die sie in ihrem Menschsein fördern.

Ein anderer Kollege erzählte, dass er seine Oberstufenklasse in kleinen Gruppen weit entfernt von zu Hause aussetzte und sie sich ohne Geld nur durch die Hilfe anderer Menschen nach Hause durchschlagen mussten. Sie mussten um Quartier und Nahrung bitten.

Das sind natürlich spektakuläre, beeindruckende Lebenserfahrungen, die mancher Schüler sicher sein Lebtag nicht vergessen können wird. Ob er dadurch in seiner Entwicklung als Mensch wirklich profitiert hat, wäre erst zu überprüfen. Man wird durch diese Dinge daran erinnert, dass manche Menschen, die am Weltkrieg teilnehmen mussten, fast ihr ganzes Leben von ihren damaligen Erlebnissen erzählten, weil sie später nie mehr etwas vergleichbar Einschneidendes erlebten. In Wirklichkeit kann ihre Persönlichkeit in dieser Zeit am allermeisten Schaden gelitten haben.

Auch bei solchen spektakulären schulischen Aktivitäten darf nicht übersehen werden, dass es immer einen ganzen Anteil von "stillen" Schülern gibt, der diese Erlebnisse - auch Klassenspiele - ganz anders beurteilt als die "Lauten". Das Leiden ist immer leiser als die Begeisterung.

Viele der heute so weithin propagierten schulischen Aktionen, befriedigen besonders die Träume der Erwachsenen.

Man stelle sich vor der, Lehrer übertrage die äußere Aktivität dieser abenteuerlichen Wanderung nach innen, er stülpe sie waldorfpädagogisch um, was das für seine Unterrichts-Qualität bedeuten würde! Er ließe dann die Schüler sich auf einen geistigen Weg begeben, wo sie sich langsam zu einem Ziel hindurch arbeiten könnten. Der Unterricht selber würde zu einem lernerischen und geistigen Abenteuer - und das vielleicht alltäglich... Das würde den Schülerseelen unendlich Wertvolles mit auf den Lebensweg geben. Er würde dann auf geist-lähmende, freudlose Epochenheft-Arbeiten und unkreative Epochen-Abschlussarbeiten sofort verzichten können, weil der Lernprozess sich von alleine trüge.

Nun dazu wäre noch unendlich viel zu sagen....