Montag, 23. August 2010

Puppen und Zwerge immer mit Gesicht

In Waldorfzusammenhängen findet man häufig liebevoll gestaltete Puppen, Zwerge und andere wunderbare Stoff-Geschöpfe. Manchmal haben diese aber gar kein richtiges Gesicht.
Für Kinder ab einem gewissen Alter ist es notwendig, dass die Augen, die Nase und der Mund ein wenig angedeutet sind. Sobald das Kind in seinem Leibe wohnt, weiß es, dass das Innere eines Wesens immer durch die Augen in die Welt hinausblickt und dass auch Mund und Nase für ein Gesicht notwendig sind.


Folgende Äußerung dazu findet man bei Rudolf Steiner:

„Der frei gestaltende Geist des Kindes formt aus einem Stück Holz, das ein paar Punkte und Striche für Augen, Nase und Mund hat, eine menschliche Figur. Wenn das Kind aber eine möglichst schön geformte Puppe bekommt, sie hat etwas, woran es gebunden ist; daher haftet dann die innere Geisteskraft an dem, was schon da ist und wird nicht zur eigenen Tätigkeit herausgefordert – sie ist gebunden - , und damit geht die gestaltende Phantasiekraft für das spätere Leben überhaupt fast verloren.“

Rudolf Steiner: „Erziehungspraxis auf der Grundlage spiritueller Erkenntnis“ Berlin, 14. Mai 1906, GA 96

"Wie die Muskeln der Hand stark und kräftig werden, wenn sie die ihnen gemäße Arbeit verrichten, so wird das Gehirn und werden die anderen Organe des physischen Menschenleibes in die richtigen Bahnen gelenkt, wenn sie die richtigen Eindrücke von ihrer Umgebung erhalten. Ein Beispiel wird am besten anschaulich machen, um was es sich handelt. Man kann einem Kinde eine Puppe machen, indem man eine alte Serviette zusammenwindet, aus zwei Zipfeln Beine, aus zwei anderen Zipfeln Arme fabriziert, aus einem Knoten den Kopf, und dann mit Tintenklecksen Augen und Nase und Mund malt. Oder man kann eine sogenannte "schöne" Puppe mit echten Haaren und bemalten Wangen kaufen und sie dem Kinde geben. Es braucht hier gar nicht einmal davon gesprochen zu werden, daß diese Puppe natürlich doch scheußlich ist und den gesunden ästhetischen Sinn für Lebenszeit zu verderben geeignet ist. Die Haupterziehungsfrage dabei ist eine andere. Wenn das Kind die zusammengewickelte Serviette vor sich hat, so muß es sich aus seiner Phantasie heraus das ergänzen, was das Ding erst als Mensch erscheinen läßt. Diese Arbeit der Phantasie wirkt bildend auf die Formen des Gehirns. Dieses schließt sich auf, wie sich die Muskeln der Hand aufschließen durch die ihnen angemessene Arbeit. Erhält das Kind die sogenannte "schöne Puppe", so hat das Gehirn nichts mehr zu tun. Es verkümmert und verdorrt, statt sich aufzuschließen. Könnten die Menschen wie der Geisteswissenschafter hineinschauen in das sich in seinen Formen aufbauende Gehirn, sie würden sicher ihren Kindern nur solche Spielzeuge geben, welche geeignet sind, die Bildungstätigkeit des Gehirns lebendig anzuregen.

Rudolf Steiner: Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft(1907)