Dienstag, 28. September 2010

Wissen Kinder, was sie tun ?

Sollen sie es wissen?
Wissen Erwachsene, was sie tun?

Ein neuer Lehrer beginnt mit seiner Unterrichtstätigkeit in einer Klasse. Die Kinder sind und bleiben laut, tun was sie wollen, der Unterricht kommt nicht voran. Später äußern die Kinder im Gespräch über diese Situation, dass sie erwarten, dass ein Lehrer sich „durchsetzt“, dass er für Ruhe sorgt, nicht dass sie von sich aus ruhig seien. Sie wissen, dass es eine Autorität braucht, die über der Klasse steht und alles reguliert.

Warum räumst du dein Zimmer nicht auf? Knalle doch nicht so mit der Türe! Im nächsten Moment geschieht es wieder: “Merkst du nicht......Weißt du nicht....Warum tust du das...?“

Solche oder ähnliche Sätze hört man Erzieher und Eltern ständig äußern. Betrachten Sie diese Äußerungen bitte einmal ganz genau: Man erwartet, dass das Kind mit vollem Bewusstsein bei seinen Handlungen dabei wäre: Merkst du nicht! Und dass es genau überlegen würde, was es tun will, bevor es zur Tat schreitet: Weißt du nicht! Warum! Bei den meisten Gesprächen mit Kinder können Sie die Erfahrung machen, dass es eben nicht „merkt“ und nicht „weiß“! Und das ist auch gut so! Dafür sind es ja Kinder. Und es wäre eine Segen, wenn der Erwachsene selbst alle diese Bedingungen erfüllen würde. Deshalb sprechen wir alle diese Bemerkungen auch in den Wind. Kinder denken nicht über ihr Verhalten nach.

Zu wissen, was man tut, welche Folgen das eigene Tun hat, das kann nur ein Erwachsener mit einem voll entwickelten Selbstbewusstsein. Das Kind verfügt über kein volles Selbstbewusstsein. Dieses Wissen hatte die Menschheit schon seit langem, deshalb hat sie die Schwelle des Erwachsenwerdens sogar bis in die Gesetze hinein definiert und auf 18 bis 21 Jahre festgelegt. Aber im Alltagsbewusstsein ist uns das Gefühl für diesen Unterschied verloren gegangen. Wir stellen Forderungen an unsere Kinder, die wir nicht einmal an Erwachsene richten würden. Und die Unmöglichkeit des Kindes, unsere Forderung zu erfüllen interpretieren wir häufig als bösen Willen oder Ungezogenheit.

Das Kind lebt und handelt ganz und gar aus seinen Bedürfnissen, Gefühlen und Lebensimpulsen heraus. Ohne einen Gedanken oder ein Wissen über sein Tun, wenn es noch ganz im rechten Sinne Kind ist.

In vielen Dingen handelt es so, wie wir uns verhalten, wenn wir Auto fahren. Denken wir darüber nach, wie wir die Kupplung drücken müssen, bevor wir den Fuß bewegen? Wenn wir jeden Handgriff bedenken würden, bevor wir ihn tun, dann könnten wir nicht Auto fahren. Unser Handeln ist reine Gewohnheit geworden! Aber es kann durchaus lange gedauert haben und mühsam gewesen sein, bis wir uns diese Gewohnheit erarbeitet haben.

Dem Kinde dienen nun die ganzen ersten Lebensjahre dazu, sich ähnliche Gewohnheiten einzuprägen. Zunächst ganz durch die Nachahmung der Umgebung, später dann auch durch Hilfe und Einwirkung der Mitmenschen. Durch die zu erlernenden Gewohnheiten wächst das Kind in die Gemeinschaft der Menschen hinein, sein Lebensstil harmonisiert sich mit dem seiner Umwelt. Soziale Gemeinschaft wird möglich.

Nun sind unsere Kinder ja keine Maschinen oder dressierbare Tierchen, sondern sie sind auch schon Individualitäten und können sich nur bis zu einem gewissen Maße in die üblichen Gewohnheiten der bestehenden menschlichen Gemeinschaften einfügen. Die Kinder ändern sich ja und bringen immer neue Impulse aus ihrer vorgeburtlichen Existenz in dieses Leben mit. Sie bringen ja das Neue, die Zukunft mit. Deshalb müssen sie in Konflikt mit ihrer Umgebung geraten. Und so entstehen die Schwierigkeiten. Und gerade bei den „schwierigsten“ Kindern kann es sein, dass sie die größten Impulse mitbringen, wenn es nicht daran liegt, dass sie vom Elternhaus, nicht genügend gute Gewohnheiten vermittelt bekommen haben.

Nun ist das Erwerben von guten Gewohnheiten für das Kind wie für den Erwachsenen durchaus ein dornenreicher Weg. So kann ich z.B. die wohl weniger günstige Gewohnheit haben, z.B. zu schnell zu essen. Die Speisen werden zu schnell hinunter geschluckt, nicht genügend gekaut. Nun wird man durch irgendetwas darauf hingewiesen, dass es gesünder sei, jeden Bissen länger zu kauen. Nun wird man beim Essen erleben, wie schwer es ist, jeden Bissen doppelt so lange im Mund zu behalten. Es wird nur selten gelingen. Es braucht eine ziemliche Wachheit und Bewusstseinsstärke, dass man ständig den eigenen Kauvorgang beobachtet und sich dabei sagt: „Langsam kauen, länger kauen....“ Und das muss man tagelang, wochenlang oder monatelang üben. Sonst wird man bald den ganzen guten Vorsatz vergessen haben.