Sprüche aus der Edda, nach der Edda oder im Stil der Edda
(Stabreim)
Stolz ragt der Stamm,
standhaft steht er,
damit frei er fühlt
das Flüstern der Winde.
Der Töricht-genannte nur
verneint bei Tag das Licht.
Doch nimmer lähmt sein lahmer Sinn
der Helligkeit Leuchtemacht.
Wer fröhlich wandert durch die Weltenweiten,
erfühl der Farben Feuermacht.
Doch trifft er einen Menschen in trauriger Betrübnis,
so lad er dessen Last auf seine Schultern.
Ersehne alle Tage
den Sinnen schönes Sein.
Doch liebe selbst im Leide
des Lebens Mühe.
Maßvoll sei die edle Maid,
mild ihr Herz und gut ihr Sinn.
Loben wird man sie im Land.
Lichtvoll ist der Ort, an dem sie lebt.
Wertere Last trägt auf dem Weg man nie
als starken Verstand;
er frommt dir mehr in der Fremde als Gold;
er ist des Hilflosen Hort.
(Edda)
Kommt ein Gast, bewirte ihn gütig:
Gib ihm Speise und Getränk dazu.
Lege das Laken aufs nächtliche Lager;
lass ihn ruhen, bedarf er der Rast.
(Edda)
Der Stolze, den Blick erhoben,
er stopert über die Steine am Wegrand.
Der Lebenskluge lobet sie, liegen sie doch bereit
zur Befestigung der befahrenen Bahn.
Mutige Männerkraft
meistert die Welt.
Gütige Gesinnung
sie gibt der Seele Glanz.
Hör nimmer auf das große Geschrei
und das leere Geschnatter der Gänse.
Freu dich, wie so viel trägt der Fruchtbaum,
ein Fleißiger ist er im Stillen.
Kommst du zum Hofe, erkennst du:
Die Königin nur trägt rechtens die Krone,
weil heilig ihr Herz, sie Hochmut nicht kennt.
Eine Magd ist sie dem Volke.
Kommt vor der Zeit der Freund,
ist unfroh die Frau, weil unfertig das Mahl.
Der Ruhige rastet zur rechten Zeit,
und alle Ziele erreicht er abends.
Nicht einfach urteilt der Edle im Stillen,
denn Zweifaches zeigt des Lebens Erscheinung:
Siehst Löcher du in des Wanderers Schuhwerk:
Vergaß er's zu flicken zur rechten Zeit: Der Fahrlässige!
Oder lief er so lange, dass Löcher entstanden: Der Fleißige!
Nicht Großes gibt der Fromme,
damit gute Gesinnung er erntet.
Auch kleine Dinge demütig getan
dankt man dir herzlich.
Ist der Weg auch weit;
drückt dich schmerzvoll das Schuhwerk.
Sei ein Lauscher der Lieder der Vögel
und es erlischet dein Leid.
Früh soll aufsteh'n, wem Arbeiter mangeln,
und eilig zur Arbeit gehen:
Manches versäumt, wer morgens schläft;
halb reich ist der Rasche schon.
(Edda)
Unglück erfährt der Säumige;
sein Schuhwert ist schlecht,
er vergaß es zu flicken.
Gerüstet nur reist der Ratkluge:
Not kennt er nicht.
Die kluge Frau hütet das gute Kleid
für den Festtag.
Wertlos und widersinnig ist's
es am Werktag zu tragen,
fleckig ist's dann am Festtag.
Hohen Ruhm erreicht der Ritter
durchzweifche Tugend:
Aufrichtigkeit allzeit, doch Kniefall vor Königen.
Mut im Kampfe, doch Demut im Dienste.
Der gute Gärtner pflegt liebend die Pflanzen
gibt Schonung, gibt Schutz
nicht überwuchert Unkraut.
Kräftig erntet er das Kraut;
hat Nahrung für Notzeit.
Das Fell des Tieres, es fehlt dem Menschen,
kein prächtiges Pelztier ist er.
Doch weiß er des Winters sich Wärme zu schaffen:
Den klugen Mann hüllt Mantel und Mütze.
Erst wuchtig umwehen
die Winde des Nordens.
Dann milde und maßvoll
die Maienluft spielt.
Nach Stürmen des Lebens
kommt Linderung leicht.
Es glitzert und glänzet in
Seelengebieten
das edle Empfinden
der Erdenmenschen.
Das schöne Gewand schafft der Feinsinn.
Ein gutes Gericht die Glückliche Frau.
War der Sonne Tat je anders als Helligkeit?
Hoheitsvolles bewirkt der Himmelsleuchter.
Wenn du einen Freund hast, dem du vertraust
und von dem du Gutes begehrst,
tausch' mit ihm Gedanken
und bedenk' ihn mit Gaben,
suche ihn oft auf.
(Edda)
Des Tüchtigen Taten
sie trotzen dem Unheil,
durchlichten, durchleuchten
die Erde mit Leben.
Nie prahle der Wandrer mit wachem Verstand.
Der Weise kommt schweigend zur Wohnstätte.
Er horcht scharf und schweigt.
Die Ohren spitzt er, mit den Augen späht er.
(Edda)
Der Zornige zerbricht das Geschirr:
Erst an den Scherben sieht er den Schaden.
Der Kräftige schweigt und hilft dem Schwachen.
Nützlich ist emsige Arbeit nicht nur in Notzeit.