Samstag, 20. Dezember 2008

"Ein rechter Lehrer ist"

Ein hohes, aber wahres Ideal:

Ein rechter Lehrer ist,
wer pilgernd alle Stätten
Von Gangas Quellenmund
hat bis ans Meer betreten;
An jedem heil'gen Strom,
der in die Ganga mündet,
Hat im Gebet gekniet
und sich im Bad entsündet!
Und dann zur Einsamkeit
den Duft zurückgebracht
Von Gottes Gnadenfüll'
und seiner Schöpfung Pracht.
Und in der Einsamkeit
das helle Bild entfaltet
Von Gottes Herrlichkeit,
die durch die Schöpfung waltet.
Auf seines Mundes Wort
mag wohl ein Schüler lauschen,
Vereinigt hört' er dort
die heil'gen Ströme rauschen.

Friedrich Rückert, Die Weisheit des Brahmanen

Freitag, 19. Dezember 2008

Jungen lernen durch Ausprobieren und nebenbei

Zum Thema "Jungen und Mädchen", das auf diesen Seiten schon häufiger behandelt wurde, erschien in der Hamburger Morgenpost folgender Artikel:


RATGEBER SCHULE

Jungen lernen durch Ausprobieren und nebenbei

PETER STRUCK

Vor einigen Wochen hat das Bundesbildungsministerium eine Expertise veröffentlicht, in der es um die Frage geht, warum bei uns vor allem Jungen in den Schulen scheitern. Interessant ist, dass Jungen genauso gut wie die Mädchen lernen, wenn es keine Noten gibt, das währt in Bayern ein Jahr, in Hamburg zwei Jahre, in den Rudolf-Steiner-Schulen zehn Jahre, in Dänemark sieben Jahre, in Norwegen und Schweden acht Jahre.

Kaum beginnen die Schulen aber mit Noten, bleiben die Mädchen so gut im Schnitt wie zuvor, die Jungen stürzen jedoch ab. Die Hirnforscher sagen uns, dass alle Tiere vor allem durch Um- und Irrwege lernen. Seit mehr als 100 Jahren sprechen wir vom Lernen durch "trial and error", durch "Versuch und Irrtum". Spannend wird es aber, wenn zugleich festgestellt wird, dass 40 Prozent der Mädchen durchaus "hauptsächlich" lernen können; also durch Zuhören, Lesen und Sehen, während 60 Prozent besser durch "Ausprobieren und nebenbei" lernen können. Mit Intelligenz hat das jedoch gar nichts zu tun.

Bei Jungen ist es dramatischer: 90 Prozent können gut durch Ausprobieren und nebenbei lernen, aber zehn Prozent können auch hauptsächlich lernen. Lernen durch Handeln und Fehler-machen-Dürfen bringt also mehr als Lernen durch Zuhören. Skateboard fahren oder Tore schießen lernen kleine Kinder eben nicht über Lesen oder Vorträge, sondern indem sie es tun. Und deshalb sagen die Hirnforscher, dass mit dem frühen Beginn der Noten in der Schule die Zukunft unserer Gesellschaft weiblich sein werde, mit Angela Merkel und der deutschen Damenfußballnationalmannschaft habe es schon angefangen. Wenn man auch die Jungen zu hochwertigen Schulabschlüssen bringen will, darf man mit den Noten erst in Klasse 9 beginnen, wie es die Norweger und Schweden richtig machen!

Info:
Prof. Dr. Peter Struck, Autor des Buchs "Die 15 Gebote des Lernens" ("Primus Verlag") von der Fakultät für Erziehungswissenschaft beantwortet Ihre Fragen. E-Mail erziehung@mopo.de

Samstag, 6. Dezember 2008

Praktische Ausbildung des Denkens

Als Pädagoge kommt man immer wieder in die Lage, dass an einem Tag ein Kind ein sonderbares Verhalten zeigt, mit dem man nicht zurechtkommt und das man sich nicht erklären kann. Am nächsten Tag fehlt das Kind in der Schule, man erfährt, dass es erkrankt ist. Im Sinne des folgenden Hinweises Rudolf Steiners, kann man nun einen Gedankenzusammenhang zwischen den beiden Ereignissen herstellen:




"Aber auch nach anderer Richtung können wir unsere Denkpraxis schulen. Irgendein Ereignis, das heute geschieht, steht auch in Beziehung zu dem, was gestern geschehen ist, zum Beispiel irgendein Junge ist ungezogen gewesen; welches können die Ursachen sein? Wir verfolgen die Ereignisse zurück von heute auf gestern, wir konstruieren uns die Ursachen, die wir nicht wissen. Wir sagen uns: Ich glaube, weil heute dies geschieht, so hat sich das gestern oder vorgestern durch dieses oder jenes vorbereitet.

Man unterrichtet sich dann darüber, was wirklich geschehen ist, und erkennt dadurch, ob man richtig gedacht hat. Hat man die richtige Ursache gefunden, so ist es gut; hat man sich eine falsche Vorstellung gemacht, so versuche man, sich die Fehler klarzumachen und zu finden, wie der Gedankenprozess sich entwickelt hat und wie die Sache in der Wirklichkeit abgelaufen ist."




Aus: Rudolf Steiner,PRAKTISCHE AUSBILDUNG DES DENKENS-Karlsruhe, 18. Januar 1909

Freitag, 5. Dezember 2008

Eltern und Waldorfschule

Und wenn die Eltern unserer Kinder das einsehen, dass wir ja eigentlich arbeiten wollen, um in den nächsten Jahrzehnten Menschen hinzustellen, die für das immer schwerer werdende Leben tüchtig sind, die aber auch noch Fragen haben können an das Leben, dann stehen die Eltern in der richtigen Weise zu unserer Schule. Denn wir müssen auf diesem Verständnis der Eltern aufbauen. [...] In dem Bewußtsein können unsere Lehrer am besten unterrichten. Wir hier lieben unsere Kinder, wir unterrichten aus Menschenverständnis und Kinderliebe heraus, und um uns herum baut sich auf eine andere Liebe, die Liebe der Eltern zu diesem unserem Schulwesen. In dieser Gemeinschaft nur können wir gegenüber dem, was heute an Unverstand und auch an bedenklicher Sittenentfaltung vorhanden ist, wirklich weiter arbeiten zu einer gedeihlichen Menschenzukunft. [...]
Aus: Rudolf Steiner, Ansprache am Elternabend, 13.1.1921, GA 298, S. 77-79