Sonntag, 30. Mai 2010

Allzu viel ist ungesund:

Mir fiel auf, dass es immer wieder Eltern gibt, die geradezu euphorisch über die Waldorfschule reden. Sie loben laut Schule und Lehrer bei jeder Gelegenheit. Sie tragen dieses Lob in die Welt - fast ein wenig missionarisch.
Manchmal sind es auch Eltern, die zunächst ihre Kinder auf einer Regelschule hatten, und dann besonders beeindruckt von den neuen Erfahrungen in der Waldorfschule sind.
Doch nach einiger Zeit sind sie schon wieder verschwunden...

Freitag, 28. Mai 2010

Die Macht der Dogmen

Mit aller Macht arbeitet heute die materialistische Wissenschaft daran, den Erziehungsprozess in ihre Hand zu bekommen. Sie breitet Dogmen über die Welt hinweg aus, an fast denen nicht mehr vorbeizukommen ist. Menschliche Phänomene werden zu Krankheiten erklärt, die man durch bestimmte Methoden oder gar chemische Mittel zu bekämpfen habe.

So ist heute an einen vernünftigen, individuellen Umgang mit dem Phänomen der Linkshändigkeit gar nicht mehr zu denken. Alle "wissenschaftlichen" Forschungen arbeiten dem entgegen.

Ebenso wird das langsamere Sich-Verbinden einer vielleicht gar sensiblen Menschenseele mit den furchtbar abstrakten, intellektuellen, schwarzen Wesen, den Buchstaben, als Lese-Rechtschreib-Schwäche deklariert, der unbedingt und sofort wiederum mit gewissen "wissenschaftlichen" Methoden beizukommen ist. Die Eltern werden dadurch ständig in Angst versetzt, etwas zu versäumen.

In der Waldorfschule wissen wir durch die Menschenkunde, dass man den Kindern viel, viel Zeit lassen soll beim Erlernen dieser Kulturtechniken. Dennoch erlebe ich jetzt auch schon bei Waldorflehrern, wie sie unter diesem Druck in die Knie gehen und bereitwillig sich nun auch Leseprogrammen und Lesetrainings-Methoden unterwerfen.

Zu diesen Fragen ein Auszug aus einem Text von Thomas Jachmann (siehe rechts der entsprechende Link):

"Vertieft man sich in solche von der Anthroposophie gegebene pädagogische Gesichtspunkte, so erweitert sich die eigene Fragestellung zur Aufgabenstellung des Klassenlehrers. Man spürt aber auch sehr deutlich, dass die vermeintlichen Zwänge und Vorstellungen des Alltags immer wieder diese Weite angreifen und nicht aufkommen lassen wollen. Sogenannte wissenschaftliche Erkenntnisse postulieren Schwächen und Krankheiten des Schülers, wo vielleicht nur unterschiedliche Entwicklungsverläufe vorliegen, die über die tolerierte Norm hinausgehen und staatliche Erziehungsverordnungen legen einheitlich fest, was zu einem bestimmten Lebenszeitpunkt gewusst und gekonnt werden muss. (Eine sehr gute und fundierte Darstellung über unterschiedliche Entwicklungsverläufe und zeitliche Bandbreiten in der kindlichen Entwicklung gibt Remo H. Largo in seinem Buch „Kinderjahre“ , München 2000)
Aus vielen Gründen fällt es deshalb dem einzelnen Lehrer immer schwerer, vor Kollegen oder Eltern diesen Glaubenssätzen, dass es Legasthenie oder Rechenschwäche als wissenschaftlich erwiesenes Krankheitsbild gibt oder dass ein Kind bis zum 4.Schuljahr unbedingt Sicherheit in der Rechtschreibung erlangt haben muss, energisch zu widersprechen.
Und doch mehren sich die Beispiele von ... Menschen ,die... erst mit 14 Jahren Schreiben und Lesen gelernt haben und trotzdem ein gutes Abitur machten oder als sogenannte Legastheniker zu weltberühmten Schriftstellern geworden sind. Um die notwendige innere Kraft und Sicherheit gegenüber allen Angriffen auf eine Pädagogik aufzubringen, die nicht der Leistung und der einseitigen Ausbildung von staatlich gewünschten Fähigkeiten, sondern der Ausbildung eines für das ganze Leben gesunden Menschen die Priorität gibt, muss der Erzieher sich eine innere Haltung erwerben, die meiner Erfahrung nach vor allem aus einer Arbeit an der Menschenkunde und deren gemüthafter Vertiefung entstehen kann. Neben dem Studium der Vorträge über Erziehung und Kunst empfehlen sich, wie ich es erlebe, dabei ganz besonders die Vorträge GA 205 bis GA 208."
Quelle:
http://www.thomasjachmann.de/artikel/11-die-ausbildung-des-gemuets-im-2-jahrsiebt.html

Zeugnis-Blüten

Beim Korrektur-Lesen von Zeugnissen kann man auf nette Verschreiber stoßen:
"Alles bringt sie im Garten zu einem guten Abschuss."
"Ich wünsche dir den Mut alle Aufgaben zu einem guten Ende zu führen" - dann fehlte aber der Punkt!
Nach der neuen Rechtschreibung muss man "im Großen und Ganzen" leider groß schreiben.
Nun der Lehrer:
"Die Rechtschreibung ist im großen und ganzen recht gut, nur die Groß- und Kleinschreibung bereitete ernste Schwierigkeiten." (wem denn nun?)

Donnerstag, 27. Mai 2010

Heutiger Entwicklungsstand der Kinder

"Die körperliche Entwicklung schreitet immer schneller voran."
"Die seelische Entwicklung bleibt zurück."

Diese beiden Aussagen hört man oft.
Generell kann ich nach dreißigjähriger Berufserfahrung die beiden Feststellungen nicht unbedingt bestätigen.
Es könnte sein, dass ich bei einzelnen Mädchen eine deutlich frühe körperliche Reife beobachte oder davon höre. Allerdings sprach man früher nicht so offen über alles, wie heute.

Nach meiner Empfindung gilt alles, was wir aus der Menschenkunde über die Entwicklung der verschiedenen Leiber wissen und wie wir im Unterricht mit ihnen arbeiten und umgehen sollen, nach wie vor. Die Nachahmungskräfte z.B. sind noch immer wunderbar in den ersten Schuljahren für das Lernen einsetzbar.

Aber dennoch durchzieht alles bei den Kindern eine größere Reife, Bewusstheit, Wachheit, Wissensbegierde. Auch ihr soziales Bewusstsein ist weiter entwickelt.
Das alles ist Ausdruck der Bewusstseins-Seele, die die Kinder in sich tragen.

Diese muss heute immer schon angesprochen werden- vom ersten Schultag an. Das wird in der Waldorflehrerausbildung noch gar nicht ausreichend studiert.
Der Lehrer hätte die Kinder lieber so, als trügen sie nur die Gemütsseele in sich. Daraus ergibt eine Diskrepanz.
Man klagt dann über die ungünstigen Zeitverhältnisse und gibt ihnen die Schuld.

Mittwoch, 26. Mai 2010

Die Dinge miteinander verschmelzen

Immer häufiger beobachte ich, dass in Hauptunterrichten "Spielerisches" eingefügt wird.
Daneben sieht man aber auch, dass im Unterricht intellektuelle Elemente vorkommen: Immer wieder vorgefertigte, kopierte Blätter; Rechnungen, wie aus der staatlichen Regelschule; für die Sprachlehre Blätter zum Lücken ausfüllen usw.
In der Waldorfpädagogik werden die beiden Dinge miteinander verbunden. Sprachlehre wird zur Kunst. Die Rechenaufgaben verbinden das Kind selbst mit dem Lebendigen. Es braucht keine auflockernden Spiele, wenn der Unterricht lebendig ist.
Aufgelockert muss nur werden, wenn man zur sehr verhärtend gewirkt hat. Soweit soll man es nie kommen lassen.

Samstag, 22. Mai 2010

Mit Taktgefühl und Güte


Äußerungen Rudolf Steiners in den "Konferenzen" zum Verhältnis zwischen Jungen und Mädchen.

Manche der folgenden Äußerungen Steiners mögen durch die Zeitverhältnisse heute anders zu beurteilen sein (Kino, Schundliteratur), vieles ist noch gültig. Korrigiert werden muss das Urteil, dass "früher alles einfacher" war. Vieles ist heute sogar einfacher und doch gibt es auch heute vieles, wo man pädagogisch handeln sollte.

Bei den Zitaten wird meist leider auch nicht deutlich, wie der Gesprächsverlauf war, auf welche Ereignisse sich Steiners Worte beziehen.

Immer wieder betont Steiner, dass man die "Kinder aufmerksam macht". Dabei meint er, wenn ich es für nötig halte, über Unarten zu sprechen, dass ich dann die Aufmerksamkeit der Kinder erst besonders auf diese Unart richte. Sie finden dann diese Unart interessant und wollen sie erst recht begehen. Kinder handeln zunächst immer eher unbewusst. Je mehr der Erwachsene dann über diese Dinge redet, desto bewusster werden sie, desto mehr reizen sie den jungen Menschen, sie zu tun. Es ist ein Irrtum, dass der Mensch Dinge nicht tut, bloss weil er verstandesmäßig weiß, dass er sie nicht tun soll.

Viel wichtiger als die Beurteilung einzelner Aussagen oder Probleme, erscheint es mir, den Geist zu erspüren, der hinter Rudolf Steiners Äußerungen steckt, und selber zu versuchen, aus diesem Geist heraus - auch in ganz anderen Situationen - zu handeln:

"Es ist ungeheuer wichtig bei dieser Frage, dass man da wirklich erst dann, wenn es gar nicht zu umgehen ist, irgendwie eingreift, während man möglichst wenig die Kinder verführen soll dadurch, dass man jeden solchen Fall mit den Kindern selbst behandelt. Dadurch macht man sie erst ungezogen. Nehmen sie einen solchen Fall, der vorgekommen ist. Ein Mädchen setzt sich einem großen Knaben auf den Schoß: Sie können ganz sicher sein, solange es möglich ist, muss eine solche Sache ignoriert werden. Man muss versuchen, das zu verhindern. Ja nicht so weit gehen, die Kinder auszuzanken. Dann macht man sie sicher aufmerksam. Diese Sache ist außerordentlich vorsichtig zu behandeln. Sonst können sie es gar nicht wagen, Knaben und Mädchen untereinander zu unterrichten, wenn Sie nicht vermeiden, direkt vorzugehen. ...

Es kommt hier wirklich auf ein Taktgefühl an. Es kann zuweilen etwas sein, was scharf bekämpft werden muss. Bei diesem Punkt sollte man viel mehr indirekt als direkt vorgehen, sonst macht man die Kinder aufmerksam." (Konferenzen II, S.48)

"Eine Sache, die natürlich besprochen werden muss - ich meine wirklich bloß darum, dass nicht von dieser Seite jede mögliche Gegnerschaft kommt - , das ist das Benehmen zwischen den Geschlechtern. Ich will es nicht auffassen, als ob es etwas Furchtbares wäre. Es dürfte nur nicht allzu starke Dimensionen annehmen.

Ich nehme es nicht schlimm...Die Mädchen sagen, die Jungen hätten es von Büchern oder vom Kino. Es ist die Hauptsache, dass man sich darum kümmert. Ich will nichts anderes sagen, als dass man die Dinge kennen muss und versuchen muss, in aller Güte damit fertig zu werden.

Ich meine, dass man ein Auge darauf haben soll, damit es nicht zu stark einreißt. Viel machen lässt sich nicht, weil man dadurch Öl ins Feuer gießt. Im Ganzen, werden es nur ein paar sein. Ich würde die Schundliteratur ausmerzen. Vom Kino würde ich die Jungen abbringen, weil es den Geschmack verdirbt, weil es mit der Geschmacksentwicklung zusammenhängt. (Konferenzen II, 91 f)

Mittwoch, 19. Mai 2010

Verwaltungsfragen

Muss man es ernst nehmen, wenn man eine Entscheidung delegiert hat, und es gefällt einem diese Entscheidung eines delegierten Komitees nicht?

In sozialen Gestaltungsfragen nahm Rudolf Steiner alles sehr bewusst, ja pedantisch genau.

Nachdem es im ersten Kollegium der ersten Waldorfschule in Stuttgart Schwierigkeiten bei der Schulverwaltung gab, wurde eine Gruppe, ein "Komittee", von den Kollegen gewählt, dieses Komittee sollte wiederum drei Kollegen bestimmen, die sie für die Schulverwaltung für geeignet hielten. Das Kollegium sollte dann dieser Auswahl zustimmen.
Als die Dreiergruppe vorgestellt wurde, meldete sich ein Mitglied des Kollegiums und schlug wohlmeinend zur Ergänzung dieses Dreiergremiums einen vierten Kollegen vor.

Damit wurde der ganze, gründlich vorbereitete Weg über den Haufen geworfen, da die Arbeit der Vorbereitungsgruppe quasi negiert wurde. Rudolf Steiner reagierte empört wie selten. Er betrachtete diesen ergänzenden Vorschlag als ein Misstrauensvotum. Für ihn ist es selbstverständlich, dass das Komittee sofort zurücktritt :

Dr. Steiner:

Das würde doch das vollste Misstrauen bedeuten. Dieses vorbereitende Komitee legt seine Funktionen nieder mit der heutigen Lehrerkonferenz. Selbstverständlich ist es so, dass dieser Gegenvorschlag gemacht werden kann. Das Misstrauen würde darin bestehen, dass man einfach, ohne weiter sich aufzuregen, nun um abzustimmen, nicht per Block, sondern per Akklamation, für vier stimmt. Selbstverständlich ist es an sich kein Misstrauens­votum für das Komitee, wenn die vier Herren gewählt werden. Aber so, wie die Behandlungsweise projektiert worden ist, wäre es ein Misstrauensvotum, weil man den Vorschlag des Komitees ohne Dis­kussion in den Wind schlägt. Das Misstrauen liegt darin, dass man ein

Komitee einsetzt, von dem man voraussetzt, dass es mit Prüfung der Tatsachen unter voller Verantwortlichkeit seine Vorschläge macht.

Dann wird ein Gegenvorschlag gemacht. Nun wählen wir sie alle vier. Das heißt, dass man einen Akt, den man selbst gemacht hat, so wenig ernst nimmt. Um die Sache loszukriegen, stimmt man für alle vier.

Das bedeutet ein Misstrauen für das Komitee. Die Sache so behan­deln, dass wir bloß die Illusion erwecken wollen, dass wir harmonisch und einig sind, das bedeutet das Misstrauen gegen das Komitee.

Wir müssen ehrlich uns aussprechen. Darauf kommt es an, dass jeder seine festbegründete, innere Meinung hat. Wie wir hier die Waldorfschule gegründet haben, haben wir aus dem Herzblut heraus die Sache begründet, und jetzt geht so viel von dem schrecklichen System, von dem Unernst, dem nicht Seriösnehmen der Sache, auch ins Kollegium herein. Es bedeutet doch etwas anderes, wenn das Kollegium einig ist, dass der Vorschlag angenommen wird oder nicht. Das ist doch eine Sache, die einem ans Herz geht. Das möchte ich betont haben, dass wir die Sachen nicht oberflächlich nehmen dürfen. Unter‑ und Hintergründe bestehen, ich gebe mich keiner Illusion hin. Wenn ein solcher Vorschlag gemacht wird, so bestehen Untergründe. Auf dem Felde der Anthroposophie muss Ehrlichkeit und nicht Verwutzeltheit herrschen. Das ist, um was ich Sie bitte, einmal ernsthaft anzufangen, wenigstens hier, an der Stätte der Waldorfschule wenigstens aufrechtzuhalten, dass wir nicht über Disharmonien einfach in eine Atmosphäre von Augenzudrücken übergehen, dass wir uns ehrlich aussprechen.

Ist es denn unmöglich, dass sich die Leute sagen, ich habe dies und jenes auf dem Herzen gegen dich, und man leidet sich deshalb nicht weniger gern, und arbeitet deshalb nicht weniger gern zusammen? Warum soll man sich nicht die Wahrheit unter die Augen sagen und trotzdem sich schätzen und achten?


Konferenzen II, S.246

Dienstag, 18. Mai 2010

Interesse der Kinder

Als Argument für manche Dinge, die heute im Unterricht gemacht werden, die aber nicht aus der Menschenkunde entwickelt wurden, wird oft genannt, dass es die Kinder aber sehr interessiert habe, sie seien mit Freude und Begeisterung bei der Sache gewesen.

Die positive Reaktion der Kinder reicht aber nicht allein aus, um einen Inhalt oder eine Methode zu rechtfertigen. Aller Unterricht muss auch im menschenkundlich-wissenschaftlichen Sinne begründbar und abgesichert sein.
Dazu eine Stelle aus den Konferenzen mit Rudolf Steiner:

Eine Eurythmielehrerin berichtete:"Ich hatte die Wirkung, dass die Klasse sehr interessiert war."

Rudolf Steiner:
"Vielleicht ist sie noch mehr interessiert, wenn Sie einen kleinen Film vorführen.
Wir dürfen nie darauf gehen, wie die Kinder interessiert sind durch irgendetwas. ...Es kommt nicht darauf an, dass sie interessiert sind, das wäre eine furchtbar phantastische Pädagogik. Wenn das einreißen würde, dann würde der Unterricht leiden... Entweder ist es im Prinzip richtig, dann müsste es gemacht werden, oder es ist falsch...Das ist jedenfalls etwas, das nicht gehen kann."

Konferenzen I, S.258

Donnerstag, 13. Mai 2010

Zu schwere Aufgaben stellen

In Fortsetzung des Eintrages vom Dienstag, 11. Mai 2010

(http://joveniden.blogspot.com/2010/05/lob-nicht-fur-den-einzelnen-sondern-fur.html)

nun folgendes Zitat aus den "Seminarbesprechungen":

"Hat man solche richtige hervorragende Schülerbegabung abgesondert, und hat man die wirklichen Brävlinge, die immer existieren, ausgesondert, dann kennt man sie, und man wird sie fast immer durch Vereinigung von zwei Methoden zu behandeln haben. Das erste wird sein, daß man mit ihnen, nicht vor der Klasse selber, sondern unter vier Augen reden wird. So dass sie einsehen, sie sind durchschaut.
Man redet mit ihnen sehr eindringlich: « Ihr macht dieses, ihr macht das», und man charakterisiert auch diese Eigenschaften und legt nachher in diesem Falle die Sache auf die persönliche Note. «Ihr könnt das immer machen, ihr könnt das immer wieder und wieder machen. Ihr glaubt, das sei mir angenehm, ihr tut mir damit einen Gefallen? Nein, ich will das gar nicht haben. Es ist mir unangenehm!» Nicht vor der Klasse, aber unter vier Augen spricht man so zu ihnen. Das ist das eine. Man macht dem Schüler ganz klar, daß man ihn durchschaut.
Das andere ist dieses: Man stellt ihm Aufgaben, die ihm zu groß sind, und versucht, ihm klarzumachen, wenn er diese übergroßen Aufgaben lösen muß, so ist es deshalb, weil er sich hervortun will. Es ist schwerer für ihn, diese Eigenschaften zu bekämpfen, als übergroße Aufgaben zu lösen. Aber unangenehmer ist es für ihn, diese Aufgaben zu machen. Deshalb wird er sich bemühen. Wir müssen ihm sagen, daß er solche Aufgaben deshalb bekommt, weil er sich hervordrängt. Aber wenn er diese Eigenschaften bekämpft, wird er keine anderen Aufgaben machen müssen als die übrige Klasse.
Man kann aber namentlich die beiden Dinge für einen Schüler oder eine Schülerin zusammenkoppeln und wird dadurch, daß man ihm sagt, daß man ihn durchschaut, und ihm sagt, daß er solche Aufgaben deshalb bekommt, weil er sich vordrängt, durch das Zusammenkoppeln dieser beiden Sachen sicher viel erreichen. Sie werden sehen, daß Sie den Schüler nach einiger Zeit kuriert haben werden, wenn Sie diese Methoden anwenden."

Dienstag, 11. Mai 2010

Lob nicht für den Einzelnen, sondern für die Klasse

Waldorfpädagogik ist Bewusstseins-Seelen-Pädagogik, nicht Gemüts-Seelen-Pädagogik. Letzteres ist noch immer die verbreitete Überzeugung und Praxis: Es soll alles nett sein, gemüthaft, künstlerisch und schön. Viele Menschen flüchten sich geradezu deshalb in den Waldorflehrer-Beruf, weil sie wirklich diese Insel suchen.
Das ist ein großer Irrtum. So kann die Waldorfschule nie ihren Auftrag erfüllen.

Die Angaben Steiners bedeuten harte, unerquickliche Arbeit für die Lehrer und manchmal auch für die Schüler.
Gerade stieß ich wieder in den "Seminarbesprechungen" (gegen Ende der 6.Besprechung) auf solche unangenehmen Stellen.
Machen Sie das so, wie es da steht? Trauen Sie sich das? Oder denken Sie gar: Wie unmöglich, was Steienr da sagt; das arme Kind!

Es geht um die Behandlung von "Frömmlingen", "Brävlingen" und "Strebern":

"Das erste wird sein, daß man versucht, sorgfältig festzustellen, ob es sich handelt um ein berechtigtes Hervortun der begabteren Schüler, die mehr leisten können. Bei diesen wird man darauf sehen, daß nicht die größere Begabung in ehrgeizigen Egoismus übergehe. Man wird versuchen, das, was sie mehr können, für die anderen fruchtbar zu machen. Einen solchen Brävling wird man im Sinne seines größeren Könnens etwas machen lassen, was den anderen zugute kommt, so dass er nicht nur für sich, sondern auch für die anderen mitarbeitet. Kann er besser rechnen, so läßt man ihn den anderen vorrechnen und die anderen sich an ihm hinaufranken. Wenn er dann vom Lehrer die Folge seiner Gesinnung erfährt, die sich so ausdrücken kann: «Der Müller ist ein guter Junge. Seht, der Müller, der kann ja recht viel. Solche Menschen können den anderen viel nützen. Und ich lobe euch nun alle dafür, daß ihr von dem Müller so viel gelernt habt.» - Also überleiten das Lob auf den einen in das Lob für alle!

Sonntag, 9. Mai 2010

Die Inspiration kommt im Schlaf:

In folgendem Interview in der WELT vom 8.Mai 2010:

"Es war wie im Paradies"
VON ULRICH WICKERT 8. Mai 2010, 04:00 Uhr
(Ingo Schulze war Stipendiat der Villa Massimo. Im Gespräch mit Ulrich Wickert zieht er ein Resümee seiner Erlebnisse in Italien und gibt Einblicke in sein neues Buch, das in Rom entstand.)

finden Sie, wenn Sie genau lesen, wieder einen deutlichen Hinweis auf die Bedeutung der Nacht und des Schlafes:

....
Ulrich Wickert:
Eugène Ionesco hatte in seiner absurden Schreibstube eigentlich nur eine Couch und sagte sich: Da lege ich mich drauf, und irgendwann kommen mir die Ideen, und die diktiere ich dann meiner Sekretärin. Wie verhält sich das bei Ihnen mit der Inspiration?

Schulze:
Bei mir funktioniert das nicht ganz so. Bei mir passiert das Meiste, wenn ich versuche, Sätze aufs Papier zu bringen. Natürlich muss man irgendeinen Ansatzpunkt haben. Einen Anfang, einen Satz. Ich mache aber auch oft die Erfahrung, dass in dem Moment, wo man die Arbeit beendet, plötzlich noch etwas passiert, dann, wenn man sich nicht mehr in der Phase der Hochkonzentration befindet, sondern eher in einem Zwischenreich. Das hat dann durchaus etwas von Ionescos Dämmerzustand. Und plötzlich merkt man am nächsten Morgen: "Es" hat für einen gedacht. Es ist etwas passiert. Dann fragt man sich ganz verwundert: Nanu, wieso weiß ich das denn jetzt?....

Samstag, 8. Mai 2010

SCHLAF-FORSCHUNG

Es ist eine bekannte Anregung Rudolf Steiners, dass man für das Lernen auch die positive Wirkung des Schlafs einsetzen soll.

Nun beschäftigt sich auch die traditionelle Wissenschaft auf ihre Weise engagiert mit dem Phänomen des Schlafes, für den es nämlich bisher keine naturwissenschaftliche oder biochemische Notwendigkeit und Erklärung gibt.


Ein Ergebnis des Psychologen Jan Born:

"Frage von spiegel-online: Ist Schlaf denn nur fürs Gedächtnis gut?

Professor Born: Nein, der Schlaf schafft auch eine neue Sicht auf Dinge. Wir haben Leuten vor dem Schlafengehen ein Zahlenrätsel gegeben. Sie erkannten nicht die Systematik, die sich dahinter verbarg. Dann haben wir eine Gruppe schlafen lassen, die andere nicht. Diejenigen, die schlafen durften, konnten das Rätsel hinterher eher lösen."

Der ganze Artikel unter

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,693661,00.html

Freitag, 7. Mai 2010

Andre Stern, „ ...und ich war nie in der Schule“- 5.Teil


„Das ist nichts für alle Kinder!“

FRAGE:

„Nicht alle Kinder sind in der Lage, so zu lernen wie du, manche muss man dazu antreiben; und vor allem sind nicht alle Eltern in der Lage, das zu tun, was deine getan haben – deine Eltern sind gebildet und intelligent!“

"Ich habe festgestellt, dass das Kind, das man in einem System „organisiert“, in dem Erreichen der Durchschnittsnote zufrieden stellt, Dienst nach Vorschrift macht. Man spricht vom Motivieren des Kindes: Es würde genügen, es spielen zu lassen.

Man bemüht sich, das Interesse des Kindes für Gebiete zu wecken, die es vernachlässigt, dabei würde es genügen, ihm die Möglichkeit zu geben, sich denen zu widmen, die es interessieren. Und schließlich verfällt man „zu seinem eigenen Besten“ auf einen üblen Handel: Man dressiert das Kind wie ein Tier, indem man es mit schlechten Noten bestraft und mit guten Noten belohnt.

Schauen Sie sich ein ganz kleines Kind an, schauen Sie sich seinen wissensdurstigen Blick auf die Welt an. Glauben Sie wirklich, dass man es antreiben muss?...

Wenn das Kind etwas älter ist, beginnt es auf seine Art und Weise, Handlungen, die es beobachtet, nachzuahmen. Das Spiel ist geboren. Es wird zum wichtigsten Faktor seines Lernprozesses und sorgt für die unablässige Wiederholung, durch die sich das Erlernte verfeinert und verankert....

Nun, jedes Kind könnte nach demselben Prinzip auch alles übrige kennenlernen und verinnerlichen, wobei das „Übrige“ selbstverständlich nur individuell und nicht normierbar ist. Stattdessen wird sein Elan jäh unterbrochen, um ihm eine Methodik und einen Rhythmus aufzuzwingen, die ihm fremdartig und willkürlich entgegenstehen. ...

Es liegt auf der Hand, dass ein Kind, das damit beschäftigt ist, sein eigenes Leben zu gestalten, es nicht nötig hat, die Bildung seiner Eltern zu übernehmen. Es erschafft sich seine ganz eigene Bildung....

Jeder gut informierte und aufrichtig entschlossene Mensch kann sich ebenso für diesen Weg entscheiden; Voraussetzung dafür sind nicht Bildung oder ein bestimmtes intellektuelles Niveau, sondern Überzeugung, Liebe, Beständigkeit, Aufgeschlossenheit, Respekt und Vertrauen.“

Donnerstag, 6. Mai 2010

Dienstag, 4. Mai 2010

Wenn die Kinder albern lachen...

Es gehört für mich immer wieder zu den sonderbarsten und unangenehmen Erlebnissen, wenn in der Klasse in irgendeiner Ecke plötzlich Kichern oder Gelächter ausbricht und ich nicht weiß warum.
Habe ich etwas gemacht oder gesagt, worüber man lacht? Wird ein anderes Kind ausgelacht? Viele Fragen schießen einem blitzartig durch den Kopf. Ich lächle mit? Ich frage nach? Es kommt nichts heraus. Die lachenden Kinder können meist gar nicht vernünftig antworten.

Meist ist es ganz harmlos und geht mich einfach gar nichts an. Aber weiter unterrichten kann man ja auch nicht, weil es doch sehr laut und störend sein kann.

Können sich die Albernen gar nicht beruhigen, so bitte ich sie, kurz hinauszugehen und erst wieder herein zu kommen, wenn sie sich beruhigt haben. Das wirkt ernüchternd und beruhigend und meist sind sie sehr schnell wieder da.

Sonntag, 2. Mai 2010

Vielleicht lesenswert?

Was gibt's heute? Gemeinsam essen macht Familie stark (Taschenbuch) Jesper Juul

Jesper Juul beschreibt einfühlsam die Situationen bei Tisch, die Eltern zum Haare-Raufen bringen, und erklärt, woran es liegen könnte. Denn die Probleme, die beim Essen zum Tragen kommen, liegen meistens tiefer. Eltern bekommen wertvolle und verständliche Anregungen, wie man das gemeinsame Essen verschönern kann - dafür müssen sie sich aber auch an die eigene Nase packen. Ein Erziehungsratgeber, der nicht nur bei der Esserziehung hilft, sondern auch allgemeine Lichtblicke beschert.


Sätze wie :"Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt", klingen heute wie autoritäre Botschaften aus einer längst vergangenen Zeit. Da Kind diktiert den Speiseplan: täglich Nudeln mit Tomatensoße! Andernfalls Essstreik. Die Eltern seien zu einer Art "Bedienung im Lustcafe der Kinder" geworden...Das Problem entzünde sich an einer gestörten Familienhierarchie, weil Eltern ihre Führungsrolle aufgegeben hätten...

Der Autor betont... die Kompetenzen der Kinder, ihre feinen Geschmacksnerven und das Gespür dafür, wann sie Hunger haben und satt sind. Es geht darum, die Balance zwischen Elternautorität und Kinderkompetenz zu halten. Eltern sind dafür verantwortlich, die Lust der Kinder am Essen zu fördern und gleichzeitig eine ebenso gesunde wie abwechslungsreiche Ernährung zu sichern. Dazu gehören die Tischmanieren....

Texte aus amazon und FAZ vom 30 April 2010