Freitag, 28. Mai 2010

Die Macht der Dogmen

Mit aller Macht arbeitet heute die materialistische Wissenschaft daran, den Erziehungsprozess in ihre Hand zu bekommen. Sie breitet Dogmen über die Welt hinweg aus, an fast denen nicht mehr vorbeizukommen ist. Menschliche Phänomene werden zu Krankheiten erklärt, die man durch bestimmte Methoden oder gar chemische Mittel zu bekämpfen habe.

So ist heute an einen vernünftigen, individuellen Umgang mit dem Phänomen der Linkshändigkeit gar nicht mehr zu denken. Alle "wissenschaftlichen" Forschungen arbeiten dem entgegen.

Ebenso wird das langsamere Sich-Verbinden einer vielleicht gar sensiblen Menschenseele mit den furchtbar abstrakten, intellektuellen, schwarzen Wesen, den Buchstaben, als Lese-Rechtschreib-Schwäche deklariert, der unbedingt und sofort wiederum mit gewissen "wissenschaftlichen" Methoden beizukommen ist. Die Eltern werden dadurch ständig in Angst versetzt, etwas zu versäumen.

In der Waldorfschule wissen wir durch die Menschenkunde, dass man den Kindern viel, viel Zeit lassen soll beim Erlernen dieser Kulturtechniken. Dennoch erlebe ich jetzt auch schon bei Waldorflehrern, wie sie unter diesem Druck in die Knie gehen und bereitwillig sich nun auch Leseprogrammen und Lesetrainings-Methoden unterwerfen.

Zu diesen Fragen ein Auszug aus einem Text von Thomas Jachmann (siehe rechts der entsprechende Link):

"Vertieft man sich in solche von der Anthroposophie gegebene pädagogische Gesichtspunkte, so erweitert sich die eigene Fragestellung zur Aufgabenstellung des Klassenlehrers. Man spürt aber auch sehr deutlich, dass die vermeintlichen Zwänge und Vorstellungen des Alltags immer wieder diese Weite angreifen und nicht aufkommen lassen wollen. Sogenannte wissenschaftliche Erkenntnisse postulieren Schwächen und Krankheiten des Schülers, wo vielleicht nur unterschiedliche Entwicklungsverläufe vorliegen, die über die tolerierte Norm hinausgehen und staatliche Erziehungsverordnungen legen einheitlich fest, was zu einem bestimmten Lebenszeitpunkt gewusst und gekonnt werden muss. (Eine sehr gute und fundierte Darstellung über unterschiedliche Entwicklungsverläufe und zeitliche Bandbreiten in der kindlichen Entwicklung gibt Remo H. Largo in seinem Buch „Kinderjahre“ , München 2000)
Aus vielen Gründen fällt es deshalb dem einzelnen Lehrer immer schwerer, vor Kollegen oder Eltern diesen Glaubenssätzen, dass es Legasthenie oder Rechenschwäche als wissenschaftlich erwiesenes Krankheitsbild gibt oder dass ein Kind bis zum 4.Schuljahr unbedingt Sicherheit in der Rechtschreibung erlangt haben muss, energisch zu widersprechen.
Und doch mehren sich die Beispiele von ... Menschen ,die... erst mit 14 Jahren Schreiben und Lesen gelernt haben und trotzdem ein gutes Abitur machten oder als sogenannte Legastheniker zu weltberühmten Schriftstellern geworden sind. Um die notwendige innere Kraft und Sicherheit gegenüber allen Angriffen auf eine Pädagogik aufzubringen, die nicht der Leistung und der einseitigen Ausbildung von staatlich gewünschten Fähigkeiten, sondern der Ausbildung eines für das ganze Leben gesunden Menschen die Priorität gibt, muss der Erzieher sich eine innere Haltung erwerben, die meiner Erfahrung nach vor allem aus einer Arbeit an der Menschenkunde und deren gemüthafter Vertiefung entstehen kann. Neben dem Studium der Vorträge über Erziehung und Kunst empfehlen sich, wie ich es erlebe, dabei ganz besonders die Vorträge GA 205 bis GA 208."
Quelle:
http://www.thomasjachmann.de/artikel/11-die-ausbildung-des-gemuets-im-2-jahrsiebt.html