Dienstag, 11. Mai 2010

Lob nicht für den Einzelnen, sondern für die Klasse

Waldorfpädagogik ist Bewusstseins-Seelen-Pädagogik, nicht Gemüts-Seelen-Pädagogik. Letzteres ist noch immer die verbreitete Überzeugung und Praxis: Es soll alles nett sein, gemüthaft, künstlerisch und schön. Viele Menschen flüchten sich geradezu deshalb in den Waldorflehrer-Beruf, weil sie wirklich diese Insel suchen.
Das ist ein großer Irrtum. So kann die Waldorfschule nie ihren Auftrag erfüllen.

Die Angaben Steiners bedeuten harte, unerquickliche Arbeit für die Lehrer und manchmal auch für die Schüler.
Gerade stieß ich wieder in den "Seminarbesprechungen" (gegen Ende der 6.Besprechung) auf solche unangenehmen Stellen.
Machen Sie das so, wie es da steht? Trauen Sie sich das? Oder denken Sie gar: Wie unmöglich, was Steienr da sagt; das arme Kind!

Es geht um die Behandlung von "Frömmlingen", "Brävlingen" und "Strebern":

"Das erste wird sein, daß man versucht, sorgfältig festzustellen, ob es sich handelt um ein berechtigtes Hervortun der begabteren Schüler, die mehr leisten können. Bei diesen wird man darauf sehen, daß nicht die größere Begabung in ehrgeizigen Egoismus übergehe. Man wird versuchen, das, was sie mehr können, für die anderen fruchtbar zu machen. Einen solchen Brävling wird man im Sinne seines größeren Könnens etwas machen lassen, was den anderen zugute kommt, so dass er nicht nur für sich, sondern auch für die anderen mitarbeitet. Kann er besser rechnen, so läßt man ihn den anderen vorrechnen und die anderen sich an ihm hinaufranken. Wenn er dann vom Lehrer die Folge seiner Gesinnung erfährt, die sich so ausdrücken kann: «Der Müller ist ein guter Junge. Seht, der Müller, der kann ja recht viel. Solche Menschen können den anderen viel nützen. Und ich lobe euch nun alle dafür, daß ihr von dem Müller so viel gelernt habt.» - Also überleiten das Lob auf den einen in das Lob für alle!