Samstag, 6. Dezember 2008

Praktische Ausbildung des Denkens

Als Pädagoge kommt man immer wieder in die Lage, dass an einem Tag ein Kind ein sonderbares Verhalten zeigt, mit dem man nicht zurechtkommt und das man sich nicht erklären kann. Am nächsten Tag fehlt das Kind in der Schule, man erfährt, dass es erkrankt ist. Im Sinne des folgenden Hinweises Rudolf Steiners, kann man nun einen Gedankenzusammenhang zwischen den beiden Ereignissen herstellen:




"Aber auch nach anderer Richtung können wir unsere Denkpraxis schulen. Irgendein Ereignis, das heute geschieht, steht auch in Beziehung zu dem, was gestern geschehen ist, zum Beispiel irgendein Junge ist ungezogen gewesen; welches können die Ursachen sein? Wir verfolgen die Ereignisse zurück von heute auf gestern, wir konstruieren uns die Ursachen, die wir nicht wissen. Wir sagen uns: Ich glaube, weil heute dies geschieht, so hat sich das gestern oder vorgestern durch dieses oder jenes vorbereitet.

Man unterrichtet sich dann darüber, was wirklich geschehen ist, und erkennt dadurch, ob man richtig gedacht hat. Hat man die richtige Ursache gefunden, so ist es gut; hat man sich eine falsche Vorstellung gemacht, so versuche man, sich die Fehler klarzumachen und zu finden, wie der Gedankenprozess sich entwickelt hat und wie die Sache in der Wirklichkeit abgelaufen ist."




Aus: Rudolf Steiner,PRAKTISCHE AUSBILDUNG DES DENKENS-Karlsruhe, 18. Januar 1909