Mittwoch, 15. Dezember 2010

Keine vorschnelle Ritalin-Verordnung

PRESSEMELDUNG:

"Kürzlich hat der Gemeinsame Bundesausschuss neue Vorschriften für die Verordnung von methylphenidathaltigen Medikamenten wie Ritalin beschlossenen.
Die am 16. September beschlossene Änderung der Arzneimittel-Richtlinie erfolgt auf dem Hintergrund eines Risikobewertungsverfahren der Europäischen Union für methylphenidathaltige Arzneimittel, das im vergangenen Jahr abgeschlossen wurde. Nach Inkrafttreten der Änderungen darf Ritalin nur noch von „Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen“ verordnet werden, wenn nicht-medikamentöse Therapiemöglichkeiten nicht erfolgreich waren oder eine besonders schwere Störung festzustellen ist. Sie darf nur erfolgen nach einer besonders gründlichen Diagnose. Eine medikamentöse Behandlung sollte jedenfalls immer eingebettet sein in ein therapeutisches Gesamtkonzept, das psychotherapeutische, pädagogische oder soziale Interventionen umfasst: Aufklärung und Beratung von Eltern, Kindern und Lehrern, Elterntraining, Veränderung der Familiensituation oder Veränderungen in der Schule, Psychotherapie/Familientherapie."

Artikel auf den Webseiten der Bundespsychotherapeutenkammer: ADHS-Behandlung: Ritalin & Co nur noch zweite Wahl

Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen – Verordnung von Stimulantien nur in bestimmten Ausnahmefällen: Ritalin & Co nur noch 2. Wahl

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen Deutschlands hat am 16. September 2010 die Verordnungsfähigkeit bestimmter Stimulantien aufgrund des Risikos, das vor allem für Kinder und Jugendliche mit der Einnahme dieser Medikamente verbunden ist, künftig noch weiter eingeschränkt, als das bisher der Fall war. Dies betrifft das starke Psychopharmakon Methylphenidat (Ritalin, Medikinet etc.), das bei der Diagnose ADHS (Aufmerksam-keitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) sehr häufig bei Kindern verordnet wird. Nutzen und Risiken dieser Medikamente müssen nun viel sorgfältiger abgewogen werden. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Weinerlichkeit und langfristig ein geringeres Körperwachstum. Stimulantien wie Methylphenidat sind grundsätzlich nicht verordnungsfähig und nur ausnahmsweise im Rahmen eines ganz eng begrenzten Indikationskatalogs zugelassen. Der Befund AD(H)S muss im diagnostischen Prozess künftig noch umfassender als bisher geprüft werden, und die Verordnung dieser Medikamente darf nur noch von Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen erfolgen. Zudem muss die medikamentöse Behandlung regelmäßig unterbrochen werden, um ihre Auswirkungen auf das Befinden des Kindes beurteilen zu können.
Die Bundespsychotherapeutenlammer (BPtk) hebt hervor:
Die geänderte Arzneimittel-Richtlinie schreibt jetzt vor, dass
  • eine Behandlung von ADHS ohne Medikamente beginnen muss,
  • Methylphenidat erst dann eingesetzt werden darf, wenn die nicht-medikamentöse Behandlung nicht erfolgreich ist,
  • Methylphenidat auch dann nur innerhalb einer therapeutischen multimodalen Gesamtstrategie eingesetzt werden darf, die neben pharmakologischen Maßnahmen insbesondere auch psychologische, pädagogische und soziale Therapiekonzepte nutzt,
  • die Behandlung unter Aufsicht eines Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern durchgeführt werden muss,
  • der medikamentöse Einsatz besonders zu dokumentieren ist, insbesondere bei einer Dauertherapie über zwölf Monate,
  • mindestens einmal jährlich die medikamentöse Behandlung unterbrochen und neu beurteilt werden muss,
  • die ADHS-Diagnose auf Kriterien der DSM-IV oder der ICD-10-Klassifikation beruhen muss.
KONFERENZ ADHS hat sich von Anfang an die Verbesserung der Therapie von mit ADHS diagnostizierten Kindern zum Ziel genommen und sieht sich durch die neue Richtlinie des G-BA  in seinen Bemühungen bestätigt. Psychopharmaka müssen immer nur nachrangig, Psychotherapie und Psychoedukation immer erstrangig sein. Leider sah die Praxis bisher viel zu oft genau umgekehrt aus.
Umso mehr begrüßen wir deshalb die nun verbindliche Festlegung einer immer erstrangigen Psychotherapie bzw. Psychoedukation vor einer eventuellen medikamentösen (Mit-) Behandlung.
Ritalin &  Co sind nur noch zweite Wahl.
Verantwortlich für die Pressemitteilung:
Dipl.-Psych. Hans Reinhard Schmidt
Sprecher KONFERENZ ADHS
konferenz-adhs@online.de