Relativ unbekannt ist die in Form einer Geschichte von Rudolf Steiner dargestellte "Lehrstunde" für einen guten Lehrer. Man möchte fast sagen, dass diese Darstellung jeder Waldorflehrer kennen solle. Man möge das Wesen des dritten Lehrers zu verstehen versuchen und selber üben, so wie er zu arbeiten.
Man stoße sich bitte nicht allzu sehr daran, dass Steiner häufiger den Begriff "Schülermaterial" verwendet.
Aus: Rudolf Steiner, „Notwendigkeit und Freiheit im Weltgeschehen und im menschlichen Handeln“, GA 166, Dritter Vortrag ,Berlin, 30. Januar 1916
"... Wir versetzen uns in eine Schule,vielleicht in eine Schule von drei Klassen, denen drei Lehrer vorgesetzt sind und ein Direktor. Diese drei Lehrer, nehmen wir an, seien von sehr, sehr verschiedener Charakter- und Temperamentsart. Wir denken, es sei der Beginn eines neuen Schuljahres. Der Direktor bespricht sich mit seinen Lehrern über das kommende Schuljahr.
Da ist zunächst ein Lehrer einer Klasse...
...Der sagt zu dem Direktor, nachdem ihn der Direktor gefragt hat, wie er sich einzurichten gedenke, wie er am besten vorwärtszukommen gedenke im nächsten Schuljahr: Nun, ich habe während der Ferienzeit sorgfältig dasjenige mir aufgeschrieben, wovon ich angenommen habe, dass es in meinen Anordnungen, in meiner ganzen Schulleitung im vorigen Jahre von den Schülern nicht ganz gut getroffen worden ist, was also von mir nicht gut eingerichtet war. Und ich habe mir nun fürs kommende Jahr einen neuen Plan zurechtgerückt, einen Plan, der alles dasjenige enthält, wovon ich mich überzeugt habe, dass es im vorigen Jahre gut getroffen worden ist, dass es in die Hirne, in die Köpfe hineingegangen ist. Ich habe alle Aufgaben, die ich im Laufe des Jahres stellen werde, so eingerichtet, dass in meinem ganzen Plane für das kommende Jahr dasjenige enthalten ist, was am allerbesten im verflossenen Jahre getroffen worden ist, wovon man also annehmen kann, dass es sich im verflossenen Jahre gut erprobt hat. ‑ Als ihn der Direktor etwas weiter fragte, da konnte er sogleich herausrücken mit einem Plane, den er sich über die Verteilung des Lehrstoffes zurechtgelegt hatte. Er konnte ferner anführen, welche Schulaufgaben er im Laufe des Jahres geben werde, welche Hausaufgaben er geben werde. Alle Themen für Schul‑ und Hausaufgaben hatte er nach den sorgfältigen Erfahrungen, wie er sagte, des vorigen Jahres sich zurechtgelegt. Da meinte der Direktor. Nun, ich bin sehr zufrieden. Sie sind zweifellos ein sorgfältiger Lehrer, und Sie werden mit Ihrer Klasse, wie ich glauben kann, etwas Ausgezeichnetes erreichen.
Der zweite Lehrer ...
...sagte in einer ähnlichen Weise: Ich habe das ganze Pensum, das ich mit meinen Schülern in dem vorigen Jahre absolviert habe, durchgenommen, und ich habe gesehen, was ich alles verfehlt habe. Ich habe mir nun den neuen Plan so eingerichtet, dass ich alle Fehler, die gemacht worden sind, vermeiden werde. Und er konnte ebenfalls dem Direktor ein ausgearbeitetes Pensum zeigen: ....