Von folgender Situation höre ich häufiger:
Ein Schüler verhält sich im Unterricht nicht angemessen. Der Lehrer nimmt ihn nach dem Unterricht beiseite und redet mit ihm. Danach sagt der Lehrer zum Klassenlehrer, dass der Schüler ja in Wahrheit sehr nett sei, wenn man allein mit ihm redet. Im Unterricht aber sei er sehr schwierig.
Dabei bleibt es gewöhnlich. Der Schüler bleibt auch weiterhin mehr oder weniger schwierig zu unterrichten. Der Lehrer denkt, es läge am Schüler.
Dabei muss man aus dem geschilderten Zusammenhang eine ganz andere „Lehre“ ziehen:
Der Lehrer verhält sich im Unterricht nämlich ganz anders als in dem vertraulichen Privatgespräch. Der Schüler bleibt dabei im Grunde immer der gleiche. Die Aufgabe besteht in Wirklichkeit für den Lehrer darin, sich im Unterricht genauso direkt, nah, liebevoll, menschlich jedem einzelnen Schüler zuzuwenden, wie er das im „Privatgespräch“ mit einem Schüler tut. Der Lehrer schlüpft normalerweise im Unterricht in eine Rolle, die nicht sein ganzes Menschentum ausdrückt: Er ist an erster Stelle Lehrer und an zweiter Stelle Mensch. Es sollte anders sein, er sollte immerzu ganz Mensch sein, sich in jedem Moment hauptsächlich menschlich verhalten, dann öffnen sich die Seelen der Kinder und werden in jeder Situation immer netter.
Man mag einwenden, dass man in einer großen Klasse doch nicht allen Schülern so nah sein könne. Aber dem ist nicht so. Wenn man einem Schüler wirklich ganz von Herzen nah ist, dann ist man es bald auch dem zweiten und bald allen. Nähe kann schon ein liebevoller, interessierter Blick mitten im laufenden Unterricht sein. Eine Sekunde - aber eine ganz erfüllte, warme Sekunde.
Die Lösung liegt also darin:
Verhalte dich als Lehrer im Unterricht so, wie im vertraulichen Privatgespräch!