Aus den Konferenzen mit Rudolf Steiner, 15.3. 1922 - GA 300/2
"Eine Sprachlehrerin klagt über Schwierigkeiten im Englisch-Unterricht in der 7b.
Dr. Steiner: Diese Sache ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie der Klassenlehrer die Klasse am Bändel hat. Das wird den Vergleich herausfordern. Der weiß, was er will. Wenn sie den nicht hätten, sondern jemand anderen, so hätten Sie (die Sprachlehrerin) es leichter. Es ist bei ihnen ein gewisses unbestimmtes Wesen, es sitzen in den Gedankenformen der Kinder darinnen Ihre eigenen Gedanken. Das würde natürlich nicht in diesem Maße hervortreten, wenn Sie eine Kollegin hätten, wie Sie selbst sind. Der Klassenlehrer, der imponiert der ganzen Klasse, weil er selbst bei der Sache ist. Dieses schrecklich unbestimmt Lyrische, dieses Sentimentale, muß man sich abgewöhnen, wenn man in die Klasse hineingeht. ...
Die Klasse ist ein Spiegelbild unserer Gedanken. Sie müssen selbst bestimmter in Ihren Gedanken werden. Wenn ich in Ihrer Klasse darinnen wäre, würde ich es genau so machen. Ich würde ganz entschieden unartig sein. Ich kenne mich nicht aus. Ich weiß nicht, was Sie wollen. Man muß bestimmter denken. ...
Das ist die Kunst des Lehrers: Stark verwoben sein mit seinem Gegenstand und selbstlos verwoben sein mit seinem Gegenstand. Eigenschaften, die nicht häufig sind.
Die 7a ist eine anständige Klasse geworden, da kann man gut arbeiten. Die Fruchtbarkeit des Unterrichts hängt ab von der Totalität des Eindrucks, den die Lehrer auf die Kinder machen, nicht von kleinen Ungehörigkeiten oder Autoritätswidrigkeiten....
Von der Menschlichkeit des Lehrers hängt das Allermeiste ab."