Freitag, 13. Februar 2009

"Für guten Unterricht braucht man nicht unbedingt so viel Material."

Es mag schon ein wenig sonderbar anmuten, dass auf einer "Bildungsmesse", auf der es doch hauptsächlich darum geht, dass Firmen, die viel Geld damit verdienen, dass sie die Pädagogen davon überzeugen, möglichst viel teueres Material im Unterricht zu verwenden, dass hier die Waldorfpädagogik plötzlich in den Mittelpunkt rückt. Wo man doch mit ihr kaum Geld verdienen kann:

Den Artikel können Sie hier lesen:
http://www.welt.de/welt_print/article3197070/Vom-Hinterzimmer-ins-Rampenlicht-der-Paedagogik.html

Vom Hinterzimmer ins Rampenlicht der Pädagogik

Von Margita Feldrapp 13. Februar 2009, 03:12 Uhr

Auf der Bildungsmesse Didacta stehen auf einmal die Theorien der Waldorf-Pädagogen im Mittelpunkt

Hannover - Sie können ihren Namen tanzen, jeder Buchstabe eine Bewegung, und sie sagen, für manche Kinder sei das wichtiger, als ihren Namen zu schreiben. Sie halten wenig von Schulbüchern und Computern, nichts von Noten. Bisher wurden sie dafür belächelt, die Waldorf-Pädagogen, und es war ihnen ganz recht. Es gehörte zum Konzept, anders zu sein. Doch plötzlich sind sie diejenigen, die auf der Didacta, der größten Bildungsmesse, einen Weg aus der Bildungsmisere zu wissen scheinen.

Über 700 Verlage und Hersteller von Lernmedien buhlen noch bis Samstag auf 30 000 Quadratmetern in Hannover um die Aufmerksamkeit der Besucher, vor allem Lehrer und Erzieher. ...

Die Didacta bietet dazu einen Themenschwerpunkt der Vereinigung der Waldorfkindergärten an, unterstützt vom Didacta-Verband.

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Wie eine fremde Welt wirkt dann die von Waldorf-Pädagogen organisierte Sonderschau zu den "Bildungshäusern" im Herzen der Ausstellungsfläche. "Die Zukunft hat begonnen" heißt es auf einem Transparent. Doch die Zukunft kommt reichlich altbacken daher, mit mattgelben Stellwänden und einem Klecks Propolis-Salbe als Werbegeschenk.

Auch bei den Vorträgen liegt ein Schwerpunkt auf der Waldorf-Pädagogik. Als Ansprechpartner trifft man vornehmlich Waldorf-Leute, außerdem Vertreter der Laborschule Bielefeld oder der Sophie-Scholl-Schule Gießen.

Klaus-Peter Freitag, in der Fortbildung für Waldorf-Lehrer tätig, empfängt den Messebesucher mit zerzausten Haaren, als wäre er gerade davon überrascht worden, plötzlich gefragt zu sein. Er erklärt, dass in vielen Waldorfeinrichtungen schon jetzt Kindergarten und Schule auf einem Gelände seien und Erzieher und Lehrer eng zusammenarbeiten. Er sagt Sätze, die hier jeder gerne hört: "Jedes Kind ist anders" oder "Das Kind muss im Mittelpunkt stehen". Man müsse die Schüler respektieren, ihre Bedürfnisse, ihr Lerntempo, es dürfe keinen Druck geben, keine Noten, und bei all dem komme man auch fast ohne Unterrichtsmaterial aus. Grundlage ist die anthroposophische Lehre Rudolf Steiners, eine spirituell geprägte Pädagogik mit ganzheitlichem Anspruch. Die Wertschätzung gegenüber den Kindern gründe, so Freitag, im Reinkarnationsgedanken. Wegen dieses ideologischen Hintergrunds sind Waldorfschulen in Deutschland auch weiterhin ausschließlich unter freier Trägerschaft denkbar. Kritiker weisen darauf hin, dass die Kinder dort abgeschottet werden, unvorbereitet ins Berufsleben gehen - umso erstaunlicher, welche Rolle den Pädagogen auf der Didacta zufällt.

"Vom Hinterzimmer der Pädagogik auf den Marktplatz", witzelt eine Lehrerin. Man dürfe das nicht überbewerten, sagt Annette Schmitt, Psychologin an der Universität Bremen. Es gebe Bereiche, in denen die klassische Pädagogik positive Elemente der Waldorf-Pädagogik übernehme, mehr aber nicht. Die Gräben seien weiterhin tief, auch wenn das bei der Didacta auf den ersten Blick anders aussehe. In einem - eher marginalen Punkt - stimme aber auch sie mit den Reformpädagogen überein: "Für guten Unterricht braucht man nicht unbedingt so viel Material."

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