Freitag, 13. November 2009

Mieke Mosmuller „Eine Klasse voller Engel“

Literaturhinweis:
Ein ernster Blick auf die Waldorfpädagogik
Waldorfpädagogik ist ohne lebendig und aktiv empfundene und erarbeitete Anthroposophie nicht denkbar. Gehört doch die "Allgemeine Menschenkunde" zu den anspruchsvollsten anthroposophischen Inhalten. Die Menschenkunde kann sich in der Seele nur entfalten, wenn sie auf einen geisteswissenschaftlich vorbereiteten und ständig gepflegten Boden fällt. Rudolf Steiner sprach davon, dass man Menschenkunde aufnehme, sie meditiere und dass dann aus der Seele die rechten Eingebungen für den Unterricht quellen.

Dieses wurde und wird nicht immer in der Waldorflehrerschaft mit dem nötigen Ernst empfunden. Die Tragik, die diese Tatsache für die heutige Situation der Waldorfschulen bedeutet, hat die holländische Ärztin und Autorin Mieke Mosmuller veranlasst, das Buch "Eine Klasse voller Engel" zu schreiben.

Darin wendet sie sich an diejenigen, die Rudolf Steiners ureigentliches pädagogisch-geistiges Anliegen ernst nehmen und in seinem Sinne Waldorfpädagogik verwirklichen wollen. Sie sieht, dass die schon von Steiner geschilderte Gefahr, dass das Anthroposophische durch das intellektuelle Denken – auch in den Seelen gut meinender Anthroposophen – zu erstarren und ersterben droht, in starkem Maße eingetreten ist.

Schon in der Ausbildung zum Waldorflehrer nehmen nach ihrer Erkenntnis die Studierenden pädagogische und geistige Inhalte so auf wie andere Wissensinhalte auch. Meist seien die Fähigkeiten für einen lebendigen Umgang mit diesen Wissensinhalten noch gar nicht entwickelt und auch später im aktiven Berufsleben würden diese Fähigkeiten nicht mehr ausreichend ausgebildet.

Mieke Mosmuller entwickelt deshalb in diesem Buch Methoden und Inhalte, die in der Waldorflehrerausbildung hinzu kommen oder verstärkt werden müssen, damit die Seelen der Studierenden die nötigen Empfindungsfähigkeiten entwickeln, bevor anthroposophische und menschenkundliche Inhalte an sie herangebracht werden.

Als Ausgangspunkt nimmt sie z.B. die Notwendigkeit, dass zunächst die Stimmung der Ehrfurcht entwickelt werden solle:
„Die erste Qualität der Seele, diese wunderbare Fähigkeit, die erweckt werden muss, liegt in unserer Zeit tief in der Seele verborgen. Meistens ist sie gar nicht da, scheint nicht angelegt zu sein... Es ist die Stimmung, die in „Wie erlangt man....“ als Grundstimmung gefordert wird, als erste Bedingung. Es ist die Stimmung der Ehrfurcht, … Wer Kinder erziehen will, muss den Pfad der Verehrung gegangen sein....“ (S.33)

Mit klarer, bewusster, geistgetragener Begrifflichkeit und Gedankenführung entwickelt Frau Mosmuller ein umfassendes Bild einer Waldorf-Lehrerausbildung und betrachtet mit konsequenter Urteilskraft Symptome heutiger Waldorfpädagogik. Etwas Vergleichbares wurde bisher aus anthroposophischer Gesinnung heraus nach meiner Kenntnis noch nicht veröffentlicht. Jeder Waldorflehrer, der mit Sorge auf die heutige Situation in den Lehrerkollegien blickt und dem die Zukunft der Waldorfpädagogik am Herzen liegt, sei es empfohlen, dieses Buch zu lesen und selbstkritisch die Inhalte zu bewegen.